Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
stürmten ungeordnet in die Mündungen der Gassen.
    Einer der Gardisten, ein Mann mit weißem, sauber gestutztem Bart, der nun mit Klabauterblut gesprenkelt war, verzog abfällig das Gesicht. »Piraten und Wilde sind eben keine Soldaten. Sie verstehen sich aufs Plündern, aber nicht aufs Kriegführen.«
    Walker wollte energisch widersprechen, doch dann bemerkte er, dass weder Soledad noch Buenaventure protestierten.
    »Ist das ein Vorteil für uns?«, fragte Soledad.
    Der Soldat schüttelte den Kopf. »Bei einer solchen Zahl von Gegnern? Ehe die Ersten am Wall ankommen, wird es hier unten nur so von ihnen wimmeln. Wahrscheinlich werden sie einfach dort weitermachen, wo die Klabauter begonnen haben.«
    Buenaventure knurrte zustimmend. »Sie werden uns überrennen.«
    Soledad massierte sich nachdenklich die Handgelenke. »Wohl kaum. Tyrone müsste um die zweihundert Schiffe gehabt haben. Das da unten ist nicht einmal mehr die Hälfte davon.«
    »Höchstens ein Viertel«, sagte Walker. »Vorausgesetzt, es warten keine mehr im Nebel.«
    »Das glaube ich nicht. Tyrone wird alles in die Schlacht werfen, das ihm geblieben ist.« Soledad lächelte kalt. »Die Antillenkapitäne haben ihm ganz schön zugesetzt.«
    Ungeduldig meldete sich der weißbärtige Soldat zu Wort. »Das ist ja gut und schön, aber es bleibt die Tatsache, dass sie uns an Zahl weit überlegen sind. Ich schlage vor, wir kehren zurück zum Wall. Dort wird man bald jeden Mann brauchen können.« Mit dem Anflug eines förmlichen Nickens in Soledads Richtung fügte er hinzu: »Und jede Frau.«
    »Gehen Sie mit Ihren Männern voraus«, sagte Soledad. »Walker, Buenaventure und ich werden versuchen, an Tyrone heranzukommen.«
    Walker hob eine Braue. »Ach ja?«
    »Soledad hat Recht«, pflichtete Buenaventure ihr bei. »Klingt immerhin nach einem Plan. Besser jedenfalls, als oben auf dem Wall abzuwarten, bis sie uns niedertrampeln.«
    Der Soldat wurde blass, hielt dem Blick des Pitbullmannes aber stand. Dann nickte er. Möglicherweise war er ganz froh darüber, die drei Piraten loszuwerden.
    Soledad wandte sich an Walker. »Lass es uns wenigstens versuchen.«
    Er seufzte leise, dann zuckte er die Achseln. »Eine schöne Frau hat immer Recht, hat mein Vater gesagt.«
    Soledad ließ ein Lächeln aufblitzen. »Ich dachte, du hast deinen Vater nie kennen gelernt.«
    Der weißbärtige Soldat räusperte sich ungehalten.
    »Nun gut«, sagte er betont, »meine Männer und ich machen uns auf den Rückweg. Ich wünsche Ihnen dreien viel Glück - und das meine ich ehrlich.«
    Die Schritte der Soldaten waren rasch jenseits des Prasselns der Feuer und des Geschreis vom Ufer verklungen. Einige Augenblicke später waren sie wieder unterwegs. Soledad und Walker liefen voraus, Buenaventure blieb direkt hinter ihnen.
    Es gab Gassen, in denen es aufgrund der Brände so heiß war, dass sie umkehren und einen anderen Weg suchen mussten. In einigen Passagen wiederum hing so dichter Rauch, dass es nahezu unmöglich war zu atmen.
    Schließlich überquerten sie eine schmale, geländerlose Korallenbrücke, die über eine der breiteren Hauptstraßen führte. Unter ihnen stürmte ein Rudel Piraten und Kannibalen in archaischer Kriegsbemalung bergaufwärts, gefolgt von einem Trupp, der sich in einer geordneteren Formation bewegte und argwöhnisch die Fensterhöhlen der ausgebrannten Fenster zu beiden Seiten des Weges beobachtete. Einige blickten auch zur Brücke hinauf, und Soledad, Walker und Buenaventure konnten sich gerade noch rechtzeitig auf den Boden werfen, um nicht entdeckt zu werden.
    In der Mitte des Piratentrupps schritt eine schwarze Gestalt. Der Kopf des Kanibalenkönigs war kahl rasiert bis auf einen langen schwarzen Pferdeschwanz an seinem Hinterkopf. Im Gegensatz zu den übrigen Piraten hatte er die Kriegsbemalung der Eingeborenen aufgelegt, zu deren Herrscher er sich vor Jahren aufgeschwungen hatte. Seine schwarze, wallende Kleidung war die eines Edelmannes, mit kniehohen, breitkrempigen Stiefeln und einem weiten Umhang, der aussah, als zöge Tyrone eine dunkle Spur aus Rauch hinter sich her. Von hier oben aus konnten die drei seine zugefeilten Zähne nicht erkennen, doch allein das Wissen darum bereitete Soledad Übelkeit.
    Sie fürchtete ihn; es gab keinen Grund, sich das nicht einzugestehen. Tyrone war grausam, ohne jeden Skrupel und dazu ein hervorragender Kämpfer. Schon als er noch als Pirat die Karibik befahren hatte, waren die Geschichten seiner Überfälle Legende

Weitere Kostenlose Bücher