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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gewesen. Nach seinem Verschwinden im Dschungel des Orinoco und später nach seiner Rückkehr als Anführer der Kannibalenstämme war die Gerüchteküche schier übergekocht. Kein Gräuel, keine Barbarei, die er nicht längst übertroffen hatte.
    In seinem Gefolge eilten seine Offiziere durch die rauchverhangenen Gassen, groß gewachsene Männer mit vernarbten, harten Gesichtern. Ihnen folgte ein weiterer Schwarm Piraten, zerlumpte Halsabschneider, die den Rücken ihres Herrn schützten.
    Unter ihnen war einer, der aussah wie - »Griffin?« Soledad fiel die Kinnlade herunter. »Seht! Da unten! Ist er das nicht?«
    »Unmöglich«, brummte Buenaventure.
    »Doch, du hast Recht!« Walkers Stimme klang aufgeregt, und noch im Sprechen versuchte er, sie zu dämpfen. Er zeigte nicht gern, wie sehr ihm der Piratenjunge in den Wochen, in denen sie zusammen unterwegs gewesen waren, ans Herz gewachsen war.
    Griffin lief inmitten der Piraten. Er trug ein schmutziges Hemd, eine weiß-rot gestreifte Hose und ein schwarzes Tuch auf dem Kopf. Einen schartigen Säbel hatte er wie einen Wanderstecken über die Schulter gelegt.
    Soledad streckte den Kopf eine Spur zu weit über den Rand der Brücke, für einen Moment musste sie von unten deutlich zu sehen sein. Aber nur einer hob den Blick, beinahe als hätte er ihre Anwesenheit gespürt.
    Griffin überspielte seine Überraschung und gab sich alle Mühe, durch nichts seine Erregung zu verraten. Die Anspannung, sich mitten unter seinen Feinden zu bewegen, zehrte merklich an seinen Nerven. Seine Züge bebten.
    »So ein Teufelskerl«, knurrte Buenaventure.
    »Und genau beim Teufel wird er landen, wenn er sich nicht auf der Stelle umschaut!« Walker klang jetzt alarmiert, und die beiden anderen erkannten sogleich, was er meinte. Soledad unterdrückte einen erschrockenen Ausruf.
    Zwei Piraten, die gleich hinter Griffin gingen, hatten offenbar bemerkt, dass da einer unter ihnen war, der nicht dazugehörte. Der eine zog jetzt seinen Dolch, und der andere streckte im Gehen die Arme aus, um den Jungen an den Schultern zu packen.
    Im Bruchteil einer Sekunde war Soledad auf den Beinen, stieß sich ab und sprang. Noch in der Luft prellte sie einem Gegner die Waffe aus den Händen und schlug mit ihrer eigenen zu. Walker und Buenaventure landeten rechts und links von ihr und gingen sogleich zum Angriff über. Sie waren mitten in Tyrones Leibgarde gesprungen, fast zehn Schritt von der Stelle entfernt, wo Griffin gerade zu Boden ging.
    Soledad blieb keine Zeit, nach dem Jungen Ausschau zu halten. Sie hatte genug damit zu tun, möglichst viele Seeräuber und Kannibalen niederzustrecken, bevor ihren Gegnern klar werden konnte, dass sie keiner Armee, sondern nur drei Verzweifelten gegenüberstanden.
    Buenaventures Kampftechnik glich denen der beiden anderen, mit dem bemerkenswerten Unterschied, dass die Durchschlagskraft seines gezahnten Riesensäbels ein Mehrfaches von Soledads eigenen Hieben maß. Über brüllende Männer, die verletzt zu Boden gingen, sprang er zum Rand der schmalen Straße und packte mit links einen Balken, der von den Feuern der Nacht morsch geworden war. Der Dachstuhl des Schuppens, der an eines der Korallenhäuser angebaut worden war, brannte noch immer. »Walker! Soledad!… Vorsicht!«, rief Buenaventure noch - dann neigte sich der Schuppen in einer Eruption aus Flammen und loderndem Holz, bevor er als Feuerregen auf die Piratenschar niederging. Plötzlich waren die meisten damit beschäftigt, nicht mehr Klingen, sondern flammende Bretter abzuwehren. Auf Buenaventure selbst prasselten gleich mehrere Balkenteile nieder. Ein wütendes Jaulen drang aus seiner Kehle. Auch Walker wurde getroffen, ein wenig glimpflicher, und Soledad entging als Einzige gänzlich dem Feuerinferno. Auch ihr direkter Gegner blieb verschont, und so kämpften sie weiter inmitten der Flammen, der kreischenden Menschen und Rauchschwaden, die alsbald alles umfingen. Mit einem Säbelhieb aus der Drehung heraus gelang es ihr, den Mann niederzuwerfen. In einem Anflug von Panik suchte sie nach Walker und sah ihn mit rauchendem Haar mit einem Kannibalen fechten. Auch Buenaventure stand wieder auf beiden Beinen, eine hässliche Brandwunde am linken Oberarm, ansonsten aber mehr oder minder unversehrt. Und Griffin? Wo steckte der Junge?
    Die meisten Piraten waren von der feuerübersäten Straße in die angrenzenden Ruinen ausgewichen. Einige hatten wohl auch ihren Weg den Berg hinauf fortgesetzt. Es machte keinen Sinn,

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