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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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aber dieses . dieses Ding! Du liebe Güte!«
    »Zweifel ist das Privileg der Gläubigen«, sagte im selben Moment eine Stimme hinter ihnen, die ihnen auf seltsame Weise bekannt vorkam - und die doch ganz anders klang als früher. »Ohne Glauben kann es keinen Zweifel geben.«
    Soledad und Walker wirbelten gleichzeitig herum. Buenaventure hielt noch immer Griffins rechte Hand in seiner Pranke, hob nun aber den Blick von dem Jungen und blickte das an, was jenseits der geborstenen Dachkante emporschwebte. Es erhob sich majestätisch aus dem Abgrund des Hinterhofs, wo es vielleicht gewartet oder geschlafen oder den Rest seiner Träume abgestreift hatte.
    Licht ergoss sich über die Trümmer des Dachbodens. Die vier Piraten wurden in gleißende Helligkeit getaucht. Einen Moment lang überlagerte der Glanz den morgendlichen Sonnenschein, der sich in flirrenden Strahlen durch den Rauch verirrte.
    »Habt keine Angst«, sprach der neugeborene Gott weihevoll inmitten seiner Aureole aus Flammenglanz. Und leiser, fast kleinlaut: »Kreuzquer gestreifter Klippenmolch! Ich hab einen Hunger, ich könnt ein ganzes Schiff verspeisen.«

Der Schrund

    Das Nest der Klabautermutter blieb hinter Jolly zurück, versunken im Dunkel jenseits der Quappensicht. Während sich der Fels in der Finsternis auflöste, tat sie ihr Bestes, ihn auch aus ihrer Erinnerung zu verbannen.
    Mit hastigen Schwimmstößen näherte sie sich dem Herzen des Schorfenschrunds, dicht gefolgt von den Leuchtfischen, die jede ihrer Bewegungen nachvollzogen.
    Kangusta hatte ihr den Weg ins Freie beschrieben, und so war Jolly ohne Verzögerung aus dem Inneren des Klabauternests entkommen. Sie hatte den Berg in seinem oberen Teil verlassen, durch einen gezackten Spalt nahe des Gipfels, der gerade breit genug für ihre Schultern gewesen war. Und wieder war ihr bewusst geworden, dass Kangusta dort unten eingekerkert worden war, bevor man den Fels über ihr aufgetürmt hatte. Dies also war das Ausmaß der Macht, der Jolly sich entgegenstellte.
    Seltsamerweise vermochte sie der Gedanke daran kaum noch zu schrecken. Ihr Gemüt war längst jenseits aller Einschüchterung, und ihr Entschluss stand unumstößlich fest. Sie hätte niemals gedacht, je an einen Punkt zu gelangen, an dem Mut, Verzweiflung und Gleichgültigkeit eins wurden. Nun war ihr, als schöben andere Mächte sie auf einem Spielbrett endgültig aufs letzte Feld. Dorthin, wo die Entscheidung fallen würde.
    Sie schwebte über das Labyrinth der Klüfte und Schluchten hinweg, das den Klabauterberg umgab, umtanzt von den flitternden Partikeln der Tiefsee. Der Schwarm der Leuchtfische folgte ihr in einiger Entfernung, und sie fragte sich besorgt, ob die winzigen Tierchen nicht erst recht die Aufmerksamkeit des Mahlstroms auf sie ziehen würden. Unter sich sah sie keine der blinden Albinoklabauter mehr, allerdings waren die meisten Spalten zu tief für die Quappensicht; was sich an ihrem Grund tummeln mochte, blieb ungewiss. Auch entdeckte sie nirgends eine Spur von Munk und Aina, die vermutlich längst den Quell des Mahlstroms erreicht hatten.
    Vor ihr schienen die Felsen niedriger zu werden. Womöglich senkte sich auch der Meeresboden auf dem letzten Stück weiter nach unten. Schließlich aber endete das karstige Felsland und gab den Blick über eine weite Sandebene frei.
    Irgendwo dort, das spürte sie, lag das Ende ihrer Reise. Noch befand es sich außerhalb der Quappensicht, aber sie glaubte bereits den Sog zu spüren, der von dort ausging. Es konnte sich nicht um den tatsächlichen Sog des Strudels handeln, denn dann wäre sie längst von seinen Gewalten zerschmettert worden. Vielmehr war es eine Art Zwang in ihrem Inneren: Sie wollte, dass es zu Ende ging, auf die eine oder andere Weise.
    Sie fühlte, dass sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht befand, und zum ersten Mal spürte sie ein feines Klopfen, wenn sie ihre Hand auf die Gürteltasche mit den Muscheln legte. Fast so, als drängte es sie, befreit zu werden und sich den magischen Mächten zu öffnen.
    Jolly sank bis knapp über den Boden der Ebene herab. Hinter ihr fielen die Felsen zurück in die Finsternis. Um sie erstreckte sich nun in allen Richtungen grauer, toter Sand, glatt gestrichen wie von einer titanischen Pranke; vermutlich eine Folge der Suchströme, die in unregelmäßigen Abständen über den Meeresboden fegten.
    Ganz allmählich schälte sich vor ihr etwas aus der Dunkelheit. Auf den ersten Blick hatte es Ähnlichkeit mit einem mächtigen

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