Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
sei auch das ein Teil ihrer magischen Wiedergeburt.
    Noch, so schien es, war die Wandlung des Wurms nicht vollendet.
    Der Geisterhändler bemerkte nichts von dem Aufbruch der Gefährten vom Wall. Er war allein auf den Balkon der Bibliothek getreten und hatte zwischen den Rauchfahnen den Verlauf der Schlacht beobachtet. Wie Termiten wälzte sich die Masse der Angreifer durch die Gassen der Seesternstadt, und es war dieser Anblick, der letztlich den Ausschlag gab.
    »Es ist falsch«, sagte der Geisterhändler, »und vielleicht sogar dumm und verantwortungslos. Aber ich werde tun, was getan werden muss.« Er hatte die Worte laut ausgesprochen, denn sein nächster Schritt war zu gewichtig und folgenschwer, als dass er ihn dem stillen Grab seiner Gedanken anvertrauen wollte.
    Einsam stand er dort draußen, umwirbelt von Ascheflocken auf den Winden und dem Lärm der Kämpfe weit, weit unter ihm.
    Der Geisterhändler war verzweifelt, und mittlerweile gelang es ihm nicht mehr, seine Mutlosigkeit zu verbergen.
    Urvater war bei den Büchern geblieben, den tausenden und abertausenden von Büchern, die ihm längst viel enger ans Herz gewachsen waren als die Menschen, die er einstmals erschaffen hatte. Sein Geist hatte gelitten in all den Jahren. Begonnen hatte es nach dem Untergang der ersten Seesternstadt. Oder gar noch früher? Es war kein offensichtlicher Verfall, nichts, das sich in den Worten des Alten zeigte oder seinem Handeln, dessen Passivität sich in den letzten Jahrtausenden kaum verändert hatte. Vielmehr war da ein vages Gefühl, ein Geruch von Niedergang und Tod, der durch die Hallen der Bücher wehte. Und da es hier sonst nichts gab, das sterben konnte, bestand kein Zweifel, von wem diese Vorahnung ausging.
    Alles neigte sich dem Ende zu, so oder so.
    Der Mahlstrom war im Begriff, die Welt zu verschlingen. Und wenn er es nicht tat, würden es die auferstandenen Götter tun.
    Der Geisterhändler hatte sich entschieden, ihre Geister wieder zu erwecken - die Geister jener Gottheiten, die sich einst nach Aelenium zurückgezogen hatten und dort am Vergessen der Menschen zu Grunde gegangen waren. Er wusste sich keinen anderen Rat, als die eine Katastrophe mit der anderen zu bekämpfen. Jolly und Munk mussten den Schorfenschrund längst erreicht haben, und doch gab es nirgends Anzeichen, dass sie den Mahlstrom bezwungen hatten. Die Verteidiger Aeleniums hatten einen hohen Zoll gezahlt, um den Quappen Zeit zu verschaffen.
    Aber die Frist war abgelaufen. Aelenium würde unter dem Ansturm des Kannibalenkönigs fallen, und mit ihm gelangte der Mahlstrom ans Ziel. Längst ging es nicht mehr um die Meister des Mare Tenebrosum, wie der Händler einst angenommen hatte: Er hatte sich ihrer bedient, um seine Macht auszubauen, doch er dachte gar nicht daran, sich ihnen als Tor zu öffnen. Diese Welt war nun die seine, und er würde sie so formen, wie es ihm gefiel.
    Dazu gehörte, dass es eine Welt ohne Menschen sein würde. Die Rache des Mädchens Aina an ihrer Rasse würde ihre Erfüllung finden.
    Der Geisterhändler hatte sich nicht zu seinem Schritt entschlossen, weil er Urvaters Müdigkeit und Gleichmut teilte. Das Schicksal der Menschheit war kein Spiel. Der Geisterhändler war zu lange unter ihnen gewandelt, um etwas anderes zu glauben.
    Und wenn er nun dennoch tun würde, was ihm einzig zu tun blieb, dann nur, weil er verzweifelt war und hilflos -vielleicht zum ersten Mal während seines unermesslichen Daseins.
    Er atmete noch einmal den Gestank des Krieges ein, wie eine Mahnung, jetzt nicht mehr schwach zu werden. Dann kehrte er zurück in die Bibliothek. Seine schwarzen Papageien flatterten irgendwo in den Höhen der Korallenkuppel. Doch nicht einmal sie vermochten ihm Trost zu spenden.
    »Hast du deine Entscheidung getroffen?«, fragte Urvater und blickte von einem Buch auf, dessen Schrift längst verblasst war. Urvater kannte die Worte auswendig, die einstmals dort gestanden hatten.
    »Ich werde es tun«, sagte der Geisterhändler.
    Urvater schlug das Buch zu und erhob sich. Der Laut hallte in der Halle nach wie ein Kanonenschuss. »Ich gehe nicht mit dir«, sagte er müde.
    Er hielt einen Moment inne, bevor er erneut zum Sprechen ansetzte. »Mein Weg endet hier.«
    Der Geisterhändler nickte. »Ich weiß. Du kannst mir dabei nicht helfen.«
    Urvater schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht, was ich meine«, sagte er.
    Der Geisterhändler erschrak, doch Urvater bedeutete ihm mit einer Handbewegung zu schweigen.
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher