Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber
Das eigentliche Schlachtfeld befand sich rund fünfzig Schritt entfernt, wo drei breite Gassen in den Platz mündeten.
Griffin drehte sich um und blickte zum Gipfel des Berges. Nirgends stieg Rauch auf. Das bedeutete, dass zumindest das obere Drittel der Stadt bisher unversehrt geblieben war.
Plötzlich wurde der Staub am Boden rund um ihn aufgepeitscht, und ein mächtiger Schatten senkte sich neben ihm auf den Platz herunter.
»Griffin!«, rief D’Artois aus dem Sattel seines Rochens. »Du bist also wieder auf den Beinen.«
»Ja, Hauptmann. Wie schlecht steht es?«
D’Artois sah so müde aus wie alle Kämpfer in dieser Schlacht, aber in seiner Erschöpfung schwang etwas mit, das Griffin bestürzt als einen Schatten von Resignation erkannte. »Nicht gut«, sagte der Hauptmann. Hinter ihm nutzte sein Schütze die Atempause, um seine Büchsen und Pistolen nachzuladen.
Beim Aufwachen, in jenen seltsamen, verschwommenen Momenten, in denen die Gedanken Eigenleben gewinnen, war Griffin eine Frage wieder und wieder durch den Kopf gegangen. Jetzt sprach er sie aus. »Warum hilft uns der Geisterhändler nicht?«
»Was sollte er denn tun, Junge?«
»Er könnte die Geister aller Gefallenen wieder erwecken und auf unserer Seite kämpfen lassen!«
D’Artois stieß etwas aus, das wie eine Mischung aus Lachen und Bellen klang und eher zu Buenaventure gepasst hätte. »Wenn es so einfach wäre… Wie sollten die Geister unterscheiden, wer ihr Freund und wer ihr Feind ist? Glaub mir, es ist über diese Sache gesprochen worden, mehr als einmal, aber es ist sinnlos. Der Händler müsste jedem Geist einzeln erklären, mit wem er kämpfen sollte. Wenn wir eine Heerschar von Beschwörern hätten, die die Geister unter Kontrolle hielten . Aber er allein? Unmöglich.«
»Gibt es hier irgendwo noch einen Rochen für mich?« Griffin schaute hinauf in den Himmel, wo weniger als eine Hand voll der mächtigen Wesen schwebte. Ihre Schützen feuerten aus der Höhe Kugeln auf die Angreifer ab.
»Die meisten von uns kämpfen auf der anderen Seite der Stadt«, sagte D’Artois. »Drüben haben sie den Wall durchbrochen. Graf Aristoteles ist gefallen und mit ihm viele gute Männer. Aber wir versperren Tyrones Leuten, so gut es geht, aus der Luft den Weg in die oberen Viertel. Bislang gelingt es uns noch.« Er blickte über seine Schulter und sah, dass sein Schütze mit dem Nachladen fertig war. »Steig auf, Griffin! Ich kann dich an einem der Landeplätze absetzen.«
Griffin ließ sich nicht zweimal bitten, eilte über die ausgebreitete Schwinge des Rochens und kletterte zwischen D’Artois und dem Schützen in den Sattel.
»Danke«, sagte er. »Ich glaube, als Rochenreiter bin ich besser zu gebrauchen als auf dem Wall.«
»Wir mögen verzweifelt sein«, entgegnete D’Artois, während er den Rochen aufsteigen ließ, »aber wir sind erst dann besiegt, wenn wir aufgeben. Du bist ein tapferer Kerl, Griffin. Ich - und mit mir viele andere - habe gehört, was du für uns dort draußen getan hast. Vielleicht steckt ja mehr als ein Wunder dahinter, dass du überlebt hast. Wenn du uns alle mit deinem Glück und deinem Mut ansteckst, Junge, haben wir vielleicht noch eine Chance.«
Griffin war während der Worte des Hauptmanns rot geworden, und nun war er froh, dass weder D’Artois noch sein Schütze ihm ins Gesicht blicken konnte.
Der Rochen trug sie ein Stück bergauf, fort vom umkämpften Wall und dem weiten Platz. Dann machte er sich daran, den Korallenkegel zu umrunden. Griffin sah, dass die Schlacht wie eine brodelnde Schaumkrone rund um die ganze Stadt tobte. Auf der anderen Seite hatte sich das Gewimmel der fechtenden und schießenden Männer ein Stück bergaufwärts verlagert, doch ein ganzer Schwarm von Rochenreitern hielt die Angreifer in Schach. Der Wall war gebrochen, aber gegen die geballten Angriffe aus der Luft hatten Tyrones Männer keine Chance. Solange die Verteidigungsanlagen nicht noch an anderen Stellen nachgaben und die Rochenreiter sich verteilen mussten, blieb der Schaden dort unten begrenzt.
»Hauptmann?«, fragte Griffin.
»Wir sind gleich da. Der Platz dort unten . dort müsste es einen Rochen für dich geben.«
»Während ich fort war, haben Sie da irgendwas von Jolly gehört?«
Der Soldat schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid.«
»Gar keine Zeichen? Keine Schwächung des Mahlstroms? Oder… ich weiß nicht…?«
D’Artois zuckte die Achseln und ließ den Rochen absacken. »Wir haben keine Kundschafter
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