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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Libyen dar, demzufolge die Schergen Qadhafis jede illegale Einschiffung verhindern sollen und dafür jährlich 4,3 Milliarden Euro von Rom kassieren.
    Doch diese Absprachen drohen gegenstandslos zu werden, wenn – wie im Falle Tunesiens – der Freiheitsdrang der Volksmassen zwar die Unterdrückung des Generals Ben Ali abschüttelt, gleichzeitig jedoch durch die Auflösung des verhaßten Polizei- und Sicherheitsapparats sich jeder Disziplinierung entzieht. Seit Mitte dieses Monats haben mehr als 5000 Tunesier als illegale Einwanderer die italienische Küste erreicht. Die Insel Lampedusa, die von Nordafrika durch eine Meerenge getrennt ist, platzt aus den Nähten, seit sich dort die Zuwanderer aus dem Maghreb drängen. Daß so mancher dieser Unglückseligen bei seinem Versuch, dem heimischen Elend zu entrinnen und in Westeuropa ein Trugbild von Wohlstand zu finden, auf gestohlenen Fischerbooten den Tod findet, wird offenbar als normales Risiko in Kauf genommen.
    Das Machtvakuum, das in Tunesien entstanden ist, könnte demnächst auf andere Staaten Nordafrikas übergreifen. In diesem Fall sähe sich Präsident Sarkozy gezwungen, die französische Kriegsmarine für die Absperraktion einzusetzen, die im Maghreb zu Haß- und Wutausbrüchen führen würde. Selbst die Grenze zwischen dem europäischen Westzipfel der Türkei in Ost-Thrakien und Griechenland war noch unlängst eine Art Sieb, durch das die Zuwanderer aus Anatolien gegen Zahlung hoher Bestechungssummen ihren Weg nach Deutschland fanden.
    Europa steht nicht allein mit diesem Überfremdungsproblem. Wenn die USA seit 1940 ihre Einwohnerzahl auf 300 Millionen verdoppeln konnten, so verdankt das Land diese Zunahme nur in geringem Maße der größeren Gebärfreudigkeit seiner alteingesessenen Staatsbürger, sondern im wesentlichen einer lateinamerikanischen Migrantenflut. Es ist errechnet worden, daß heute unter den dreijährigen US-Kindern die Abkömmlinge exotischen Ursprungs ebenso zahlreich sind wie die Nachfahren europäischer Einwanderer. Die Bedeutung der »White Anglo-Saxon Protestants«, auf die sich der »American way of life« einst gründete, schrumpft von Jahr zu Jahr. Das Rußland Wladimir Putins sieht sich seinerseits dem Andrang einer asiatischen Völkerwanderung ausgesetzt.
    Wenig beachtet werden die Tragödien, die sich in der Sahara abspielen, wo eine Masse Afrikaner einem modernen Sklavenhandel ausgesetzt sind. Vom Zentrum Agades in der Republik Niger brechen Lastwagen mit Menschen überladen in Richtung Mittelmeer auf, nachdem Schlepper ihnen exorbitante Transportgebühren abgenommen haben. Auf halbem Wege wird dann die Fahrt oft wegen angeblichen Benzinmangels oder Motorschadens abgebrochen. Die menschliche Fracht wird ihrem Schicksal überlassen, während die skrupellosen Transporteure sich bereits um eine neue, einträgliche Fracht bemühen. Diejenigen, die es tatsächlich schaffen, die libyschen Häfen zu erreichen, sind dort der Ausbeutung durch die Untertanen Qadhafis ausgesetzt. Trotzdem setzen sich angeblich jeden Monat bis zu 15 000 Hungerleider aus Schwarz-afrika diesen Gefahren aus.
    Die EU will nun – angesichts der sich verschärfenden Krise – ein großzügiges Hilfsprogramm starten, das den darbenden Menschen der Sahelzone erlauben würde, im eigenen Land ein bescheidenes Auskommen zu finden, statt die mörderische Wüstenroute in Richtung auf das trügerische europäische Asyl anzutreten. Doch – so wie die Dinge stehen – würden solche Zuwendungen von Brüssel vor allem den korrupten Behörden Afrikas zugute kommen und das Elend der Bedürftigen kaum mildern.
    Libyen am Abgrund
    21. 03. 2011
    Wie immer der Kampf um Libyen ausgeht, er hat bereits eine immense diplomatische Dimension angenommen. Das militärische Vorgehen war vom französischen Präsidenten ­Sarkozy angeregt worden, und Großbritannien schloß sich erstaunlich schnell an. In den USA versuchte zwar Verteidigungsminister Gates, diese Pläne zu durchkreuzen, mußte sich am Ende jedoch dem Interventionsbefehl Obamas beugen.
    Zunächst hatte man angenommen, daß die Resolution im Weltsicherheitsrat, Qadhafi zu stürzen, am Veto Rußlands und Chinas scheitert. Aber diese Mächte gewährten der NATO durch Stimmenthaltung freie Hand. Es geschah sogar etwas völlig

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