Die Welt aus den Fugen
Die Völker dort unten müssen für sich selbst entscheiden. Besonders deutsche Politiker sind ja auÃerÂordentlich begabt im ewigen Predigen von Tugenden, die teilweise nicht einmal im eigenen Land praktiziert werden. Wir legen zudem auch im Orient verschiedene MaÃstäbe an. Von Bahrain etwa redet in Deutschland kaum jemand, obwohl die Vorgänge dort mindestens so schlimm sind wie die Ereignisse in Ãgypten, in Libyen oder Syrien.
Die Demokratie ist also nicht der Exportartikel, wie viele hier glauben?
Wir sollten endlich verinnerlichen, daà â um ein weiteres Beispiel zu nennen â unsere Form der parlamentarischen Demokratie im Nahen Osten nicht anwendbar ist. Die entscheidenden Punkte sind dort Stammes- und religiöse Fragen. Wir sollten nicht glauben, daà unser Modell sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft und auch auf militärischem Bereich noch immer das weltweit beherrschende ist.
Was uns viele andere Länder ja bereits bewiesen haben.
Ja, China hat vorgeführt, wie man aus bitterster Armut kommend binnen weniger Jahre zu einer doch relativ wohlhabenden Weltmacht wird. Auch Südkorea, Taiwan und Singapur, die gerne als positive Beispiele angeführt wurden, sind ja nicht auf dem Boden der Demokratie gediehen. Also nochmals: Hören wir endlich auf mit den Tugendpredigten.
Enigma Nordkorea
24. 12. 2011
Selbst die chinesische Diplomatie, die wohl den besten Einblick in die düsteren Verhältnisse Nordkoreas besitzt, hat stets betont, daà das Regime von Pjöngjang auch für sie extrem unberechenbar bleibt. Die Amerikaner standen den Vorgängen ohnehin ziemlich ratlos gegenüber. Nun muà man in Washington, wo Präsident Obama dem pazifischen Raum seine vorrangige Aufmerksamkeit schenken will, mit zusätzÂlichen Komplikationen rechnen.
Ein Herzversagen hat den nordkoreanischen Despoten Kim Jong Il im Alter von 69 Jahren dahingerafft. Auf den »lieben Führer«, wie der kommunistische Diktator sich offiziell nennen lieÃ, schlieÃt sich nahtlos die Machtübernahme seines Sohnes an, der sich bereits den Titel »groÃer Erbe« zugelegt hat. Bei den Trauerfeierlichkeiten gibt er sich als Staatschef zu erkennen, ohne daà irgendjemand wüÃte, auf welchen Säulen diese einzigartige kommunistische Dynastie sich stützen kann.
Der »groÃe Erbe«, das erfuhr man immerhin, ist erst 27 Jahre alt. Mancher altgediente Armeekommandeur in diesem Staat, der den Streitkräften alle nur denkbaren Privilegien gegenüber einer hungernden, verarmten Bevölkerung gewährt hat, dürfte mit bitteren Gefühlen dieses Possenspiel pseudomonarchischer Kontinuität beobachten.
Kim Jong Un, der neue Herrscher, so behauptet man, habe unter falscher Identität eine Zeit lang in der Schweiz studiert. Zurück in seiner Heimat, wurde er einer intensiven militärischen Ausbildung unterzogen. Vater Kim Jong Il zeichnete sich durch schwächlichen Wuchs, pathetische HäÃlichkeit und eine scheuÃliche Einheitskleidung aus. Sohn Kim Jong Un ist zwar stattlicher gewachsen, und er tritt im Mao-Look auf, aber sein vorzeitig verfettetes Gesicht drückt Brutalität aus, der miÃtrauische stechende Blick wirkt furchterregend.
Der Gründer der Dynastie, Kim Il Sung, dessen GröÃenwahn nicht zu überbieten war und der sich auch für die Zeit nach seinem Tod zum Präsidenten der nordkoreanischen Volksrepublik auf Ewigkeit glorifizieren lieÃ, hatte immerhin eine stattlichere Figur abgegeben und genoà nach Abschluà des Waffenstillstandes im Jahr 1953 bei seinen Untertanen einen gewissen unterwürfigen Respekt, nachdem die US-Divisionen von der chinesischen Volksbefreiungsarmee auf die heutige Demarkationslinie am 38. Breitengrad zurückgeworfen worden waren. Kim Il Sung hatte sich bereits gegen die Japaner als Partisanenführer bewährt. Darüber hinaus hatte er eine technische Leistung vollbracht, die seinem rückständigen Land niemand zugetraut hätte: Er entwickelte nicht nur ein relativ wirksames Raketensystem, sondern legte die Grundlagen der nordkoreanischen Atombombe. Dank diesem apokalyptischen Arsenal war Nordkorea in der Lage, gegenüber dem japanischen Erzfeind, gegenüber der verhaÃten Republik Südkorea und sogar gegenüber den USA ein Abschreckungspotential vorzuweisen, das bis auf den heutigen Tag das strategische Gleichgewicht
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