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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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zusammenbrechen wird.
    Da eine dauerhafte Okkupation des Gazastreifens von Israel nicht geplant ist, wird Jerusalem versuchen, die islamischen Extremisten von Hamas durch die zur Konzilianz neigende Fatah-Formation zu ersetzen. Aber da sollte man sich keine Illusionen machen. Bliebe also die Stationierung einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen, um halbwegs normale Zustände wieder herzustellen. Diese Aufgabe fiele dann den Europäern zu, da die Israeli keine muslimischen Soldaten als Garanten akzeptieren würden. Wer sich weiterhin von der Schaffung eines Palästinenserstaates eine Lösung des blutigen Dilemmas im Heiligen Land verspricht, sollte einen Blick auf die Landkarte werfen. Er wird feststellen, daß aufgrund der Zerstückelung des Westjordanlandes durch israelische Siedlungen ein solcher Ausweg längst verbaut ist. Auf den neuen US-Präsidenten Barack Obama, der in diesem Konflikt die Bürde übernehmen muß, die ihm sein Vorgänger George W. Bush überlassen hat, kommen schwere Zeiten zu.
    Der Tadel am Heiligen Vater
    16. 02. 2009
    Â»Wir sind Papst«, titelte die »Bild«-Zeitung triumphierend! Der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger war eben als Papst Benedikt XVI. aus dem römischen Konklave hervorgegangen. Letzte Woche stellte das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« seine Ausgabe unter das Motto: »Ein deutscher Papst blamiert die katholische Kirche«.
    So schnell und kraß ändern sich die Meinungen, wenn dem Bischof von Rom eine unüberlegte Entscheidung unterläuft. Die Pius-Bruderschaft des Bischofs Lefebvre, die von Benedikt XVI. rehabilitiert werden sollte, weigert sich seit langem, die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu akzeptieren. Daß diese kleine Gruppe von Klerikern an der traditionellen Messe festhält und den Gottesdienst weiterhin auf lateinisch zelebrieren möchte, sollte ihr keinen Bannfluch einbringen.
    Unerträglich waren nicht die liturgischen Einwände, sondern die reaktionäre politische Orientierung, die in mancher Beziehung an die katholisch geprägte Ideologie eines Salazar in Portugal oder eines Franco in Spanien erinnerte. Daß nun der englische Lefebvre-Bischof Williamson den Holocaust leugnete und dem Antisemitismus Auftrieb gab, war allerdings ein Fehltritt, der der Aufmerksamkeit des Pontifex maximus nicht hätte entgehen dürfen.
    Aber war das ein ausreichender Grund dafür, daß die Kanzlerin Deutschlands, Tochter eines evangelischen Pfarrers, den Papst zur Ordnung rief und sich als Tugendwächterin der internationalen Gemeinschaft in den Vordergrund drängte? Der Vatikan war ja zu jedem Eingeständnis seines Fehlers ­bereit, und die katholische Kirche hat längst ihre Rolle als jüngerer Bruder in der abrahamitischen Nachfolge anerkannt.
    Der Tadel Angela Merkels am Heiligen Vater erinnert zudem im konfessionell gespaltenen Deutschland an jene schmerzlichen Traumata, die man längst überwunden glaubte. Erschwerend kam dann noch hinzu, daß die Kanzlerin die Rüge am Oberhaupt der katholischen Kirche auf einer Pressekonferenz formulierte, an der der Präsident der Republik Kasachstan teilnahm. Und bei dem handelt es sich um einen früheren Spitzenfunktionär der kommunistischen Partei, der heute als Despot seiner ehemaligen Sowjetrepublik in Zentralasien wenigstens offiziell zum islamischen Glauben zurückgefunden hat.
    In Wirklichkeit hat die Kanzlerin, die ihrer lutherischen Konfession gewiß nie abgeschworen hat, aber das kommu­nistische Regime Ostdeutschlands mit bemerkenswerter ­Geschmeidigkeit überlebte, Erinnerungen an jenen »Kul­turkampf« geweckt, mit dem einst Otto von Bismarck die Ka­tholiken des Rheinlandes, das von Preußen annektiert war, in die Knie zwingen wollte.
    Seit der Wiedervereinigung ist die Bundesrepublik noch deutscher, protestantischer und »wilhelminischer« geworden. Wie anders als eine quasi wilhelminische Hybris lassen sich die Brüskierung Chinas durch das Umschwärmen des Dalai Lama in Berlin oder die überhebliche Tonart erklären, mit der Wladimir Putin von der Kanzlerin zur Respektierung der Demokratie angehalten, mit anderen Worten als Autokrat gerügt wurde. So ähnlich taktierte man um 1900 in Berlin, als man den Burenführer Ohm Krüger zu seinem Waffenerfolg gegen die Engländer beglückwünschte. Immerhin konnte man damals dem Wilhelminischen Reich zugute

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