Die Welt aus den Fugen
die Bundeswehr ist, wird massenhaft Opium gepflanzt, und das kommt den Warlords zugute, Mitgliedern der jetzigen Regierung, den Verwandten des Präsidenten Karzai. Also nicht nur die Taleban nutzen das aus, sondern gerade die korrupten Regierungsstellen bereichern sich daran, und die Bauern leben davon. Man muà wissen: Die Bauern können mit Getreide kein Geld mehr verdienen in Afghanistan.
Die Hilfsorganisationen schaffen so viele Nahrungsmittel rein, daà die Bauern ihr Getreide gar nicht mehr zu einem vernünftigen Preis verkaufen können. Wenn jetzt gesagt wird, wir wollen gegen die Opiumbauern vorgehen, dann kann es sehr ärgerlich werden, auch im deutschen Sektor im Norden, der relativ ruhig ist. Wenn man an die Privilegien, an die reichen Einkünfte der Warlords rangeht und ihnen das Opium wegnimmt, dann wird es sehr ungemütlich, dann knallt es von allen Seiten. Ich habe das bei meinem letzten Besuch in Kundus erlebt. Die Briten sind theoretisch mit der Bekämpfung des Opiumhandels beauftragt. Und als da so ein kleiner Trupp auftauchte, war man auf deutscher Seite gar nicht erfreut darüber. Man sagte vielmehr, das bringt nichts und die Leute, die das Opium pflanzen und die davon profitieren, können uns dann Ãrger machen.
Wie sieht denn Ihre Prognose für Afghanistan aus, und worin würden Sie eine Lösung sehen?
Ich sehe im Moment keine Lösung. Die Lösung ist immer: Man muà mit dem Gegner sprechen. Es hat gar keinen Sinn, sich Marionetten oder schwache Leute heranzuziehen und die zu begünstigen. Ich habe Karzai persönlich kennengelernt. Das ist kein besonders schlimmer Mann. Es gibt viel schlimmere. Aber er ist schwach, er hat keine ÂAutorität, er ist nicht mal mehr â wie man sagte â der Bürgermeister von Kabul. Er sitzt in seinem Palast und ist geschützt durch amerikanische »contract worker«, also Leute, die 1500 Dollar pro Tag bekommen. Das sind Spezialisten, aber es sind Söldner, die ihn schützen. Also insofern muà man irgendwie mit den Führern â wie immer man sie nennen mag: Mujahidin, Taleban und so weiter â verhandeln.
Die Afghanen sind den Krieg leid. Das muà man auch bedenken.
Die ersten hundert Tage Obamas
27. 04. 2009
Eine grundsätzliche Veränderung könnte sich in der AuÃenpolitik des WeiÃen Hauses vollzogen haben, seit Barack ÂObama dort Einzug hielt. Bis zu dieser Wende war die Priorität der USA in ihren internationalen Beziehungen eindeutig auf Europa ausgerichtet. Auf dem Höhepunkt seines kriegerischen Engagements gegen Japan im Zweiten Weltkrieg galt für Franklin D. Roosevelt die Devise: »Europe first«. Das Land könnte sich gewandelt haben, da Obama nicht wie seine Vorgänger auf eine rein europäische Abstammung zurückblickt. Sein früher erzieherischer Werdegang hat zu wesentlichen Teilen in Hawaii, also im Pazifischen Ozean, und im asiatisch-muslimischen Indonesien stattgefunden. Das bleibt nicht ohne nachhaltige Wirkung.
Nach hundert Tagen Regierungszeit ist es zu früh, Bilanz zu ziehen. Aber sowohl auf der interamerikanischen Konferenz von Trinidad und Tobago als auch bei der NATO-Konferenz in Prag, deren Schwerpunkt sich für Obama am Ende in die Türkei zu verlagern schien, kam der Eindruck auf, daà der 44. Präsident sich in der buntgescheckten, multikulturellen Atmosphäre der Lateinamerikaner recht wohl fühlte und daà er in Istanbul, dem ehemaligen Sitz des islamischen Kalifats, das geistige Erbgut seines kenianischen Vaters entdeckte, der Muslim war.
Es war ein Gebot der Vernunft, endlich die gespannte, ja feindselige Haltung Washingtons gegenüber Kuba zu revidieren. Obama hat diesen Mut aufgebracht. Das Dahinsiechen des dortigen Vaters der Revolution, Fidel Castro, hat die schrittweise Entspannung zweifellos erleichtert. Der Händedruck, den Obama mit Venezuelas Diktator Hugo Chávez tauschte, weist auf eine ideologische Unbefangenheit und eine ethnische Affinität hin, die im Kongreà von Washington Stirnrunzeln auslöste.
Es wurde höchste Zeit, daà die USA gegenüber ihren lateinamerikanischen Nachbarn wieder ein gröÃeres Interesse und Wohlwollen an den Tag legten. Doch vieles hat sich verändert. Um nur Brasilien zu nennen: Das Land hat die AusmaÃe eines Kontinents, zählt mehr als hundert Millionen Einwohner und ist aufgrund seiner immensen Bodenschätze in
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