Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
Vom Netzwerk:
ethnischen Vorurteile, die sich erhalten haben. Mindestens 300000 Demonstranten versammelten sich unlängst vor dem Lincoln Memorial in Washington. Man hätte darauf gefaßt sein müssen, daß die Sympathisanten des Ku-Klux-Clan sich dem Übergang der USA zu einer multikulturellen Gesellschaft mit allen Mitteln in den Weg stellen würden. Der wortgewaltige Prediger dieser Rückwendung zur »gottgewollten Ordnung« ist ein ultrakonservativer Fernsehkommentator namens Glenn Beck.
    Ihm zur Seite steht die bizarre Chauvinistin Sarah Palin. Ihre ultrapatriotischen Ausbrüche könnten sich als Bumerang erweisen, scheut doch der amerikanische Durchschnittsbürger vor Extremismus zurück. Aber Obamas Experiment ist selbst bei seinen liberalen Parteigängern in Verruf geraten. Wann findet endlich die versprochene Auflösung des Gefangenenlagers in Guantánamo statt, fragen sie. Wann wird Amerika sich aus dem Schlamassel des Nahen und Mittleren Ostens lösen können?
    Â»It’s the economy, stupid« – »Es geht um die Wirtschaft, du Dummkopf«, hatte Bill Clinton nach gewonnener Präsidentschaftswahl seinem unterlegenen Gegner zugerufen. Doch in dieser Hinsicht ist Obama ohne eigene Schuld in die Finanzkrise von Wall Street geraten. Unter anderen Umständen hätte die Einführung einer für alle zugänglichen Krankenversicherung, die Obama durchpaukte, als großer Erfolg gefeiert werden können.
    Last but not least sieht sich Amerika in die Konflikte im Irak und in Afghanistan verwickelt, ganz zu schweigen von der hoffnungslosen Situation in Palästina. Es ist zu hoffen, daß das Weiße Haus dem Drängen Israels widersteht, die verhängten Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran durch die Auslösung der militärischen »Option« zu ergänzen und der Bombardierung der dortigen Nuklearanlagen zuzustimmen.
    Schon hält man in Washington nach Politikern Ausschau, die sich in der nächsten Schlacht um die Staatsführung durchsetzen können. Eine überzeugende Figur hat sich bisher nicht offenbart. Ein Verzicht Washingtons auf weltweiten Interventionismus würde den Europäern vor Augen führen, wie kläglich ihr eigenes diplomatisches und strategisches Gewicht geschrumpft ist und wie sehr sie auf die Übermacht der USA angewiesen bleiben.
    Ob der Durchschnittsamerikaner überhaupt zur Kenntnis genommen hat, daß die mysteriöse Organisation El Qaida ihr Schwergewicht aus dem Hindukusch längst nach Pakistan, Jemen und Somalia verlagert hat? In der westlichen Hemisphäre kann von einer gebieterischen Monroe-Doktrin Washingtons nicht mehr die Rede sein, seit das »Schwellenland« Brasilien auf dem lateinamerikanischen Subkontinent eine Führungsrolle übernommen hat. Barack Obama, dem seine verbohrten Gegner vorwerfen, er habe Amerika mit den Übeln des Sozialismus belastet und es seiner göttlichen Berufung entfremdet, droht als tragische Figur in die Weltgeschichte einzugehen. Weniger die eigene Unzulänglichkeit als das schicksalhafte Dahinschmelzen amerikanischen Ansehens und amerikanischen Wohlstandes wären ihm zum Verhängnis geworden.
    Der Aufstieg Südamerikas
    04. 10. 2010
    BRIC? Gemeint sind damit die sogenannten Schwellen­länder Brasilien, Rußland, Indien und China. Diese Staaten bleiben in ihrer Entwicklung und in ihrem Machtanspruch extrem unterschiedlich. Man denke nur an den Aufstieg ­Chinaszum ­Rivalen der USA oder an das ungeheure Nukleararsenal, über das Rußland weiterhin verfügt. Um so mehr überrascht, daß Brasilien in diese Kategorie ungestüm zur Weltgeltung strebender Staaten aufgenommen wurde. In aller Stille, aber mit großer Dynamik vollzog sich in den letzten Jahren auf dem lateinamerikanischen Subkontinent eine tiefgreifende politische Umschichtung. Vor allem Brasilien ist zu einem wirtschaftlichen Giganten herangewachsen, der es mit den traditionellen Mächten aufnehmen kann und von der Finanzkrise, die die USA und Europa erschütterte, kaum tangiert wurde.
    Der Mann, dem die ehemals portugiesische Kolonie diesen Höhenflug verdankt, heißt Lula da Silva. Der frühere Metallarbeiter genießt beim breiten Volk eine ungewöhnliche Popularität. Er hatte sich als Gewerkschaftsführer hochgearbeitet. Zweimal wurde er zum Präsidenten der brasilianischen Republik gewählt.
    Ursprünglich hatte Lula,

Weitere Kostenlose Bücher