Die Welt aus den Fugen
Bedrängnis geriet, war sie es, die mit einem anklagenden Artikel in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« das Feuer gegen ihren Gönner eröffnete und ihm sogar den Ehrenvorsitz der Partei verweigerte. Die Zahl der Politiker, die sie â ohne über eine wirkliche Hausmacht zu verfügen â zur Strecke gebracht hat, ist beachtlich. Dem heutigen Finanzminister Schäuble nahm sie seinen dominierenden EinfluÃ. Und ihren offenen Opponenten, den begabten Wirtschaftsexperten Friedrich Merz, drängte sie in die Privatwirtschaft ab. Den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber sowie dessen Kollegen Günther Oettinger aus Baden-Württemberg brachte sie ebenso zu Fall wie den Regierungschef von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers. Am erstaunlichsten wirkt der plötzliche Rücktritt des energischen Landeschefs von Hessen, Roland Koch, über dessen Beweggründe UngewiÃheit herrscht. Mit einem ausgeklügelten Manöver wurde ihre potentiell gefährlichste Gegnerin ausgeschaltet: Der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wurde vorgegaukelt, sie sei als Kandidatin für die Aufgaben des Bundespräsidenten vom Kanzleramt bevorzugt. Am Ende stand Frau von der Leyen da, tief getroffen vor einer schnöden Absage. Ja selbst der neugewählte Bundespräsident Christian Wulff, so munkelt man in der Partei, sei nur zu dieser hohen Würde gelangt, weil er als höchster Staatschef keine aktive parteipolitische Rolle mehr zu spielen vermag.
Auf der Beliebtheitsskala ist Merkel weit nach unten gerutscht. Jeder fragt sich heute, mit welchen Schachzügen sie dem überaus populären Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg beizukommen versuchen wird. Der junge Baron aus Bayern verfügt über einen ständischen und materiellen Hintergrund, der ihn relativ unverwundbar macht, und er ist der einzige, der das deutsche Engagement in Afghanistan als das bezeichnet, was es ist, nämlich als »Krieg«.
Der gröÃte Fehler Merkels war wohl, sich mit der liberalen FDP einzulassen, die mit Guido Westerwelle den Vizekanzler und den AuÃenminister stellt. Auf dem Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise hatte dessen Freie Demokratische Partei sich für die Kürzung der Steuern vor allem bei Wohlhabenden eingesetzt, was der Regierung den Zorn des kleinen Mannes einbrachte. Da Westerwelle als AuÃenpolitiker ohne jedes Konzept dasteht, löst allein die Nennung seines Namens im deutschen Kabarett schallendes Gelächter aus. Es steht also nicht gut um das Erbe Adenauers, Brandts und Kohls, und man kann nur hoffen, daà Deutschland die Spanne bis zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2013 unter günstigeren Prämissen besteht, als das bisher der Fall war.
Nichts ist geklärt in Bagdad
09. 08. 2010
Mit der Miene eines siegreichen Feldherrn hat Präsident Barack Obama dem amerikanischen Volk verkündet, daà er in Bälde die US-Truppenpräsenz auf 50000 Mann reduzieren wird. Das immer noch beachtliche Kontingent habe keinerlei Kampfauftrag mehr, sondern werde zur Sicherung und zur Ausbildung der irakischen Nationalarmee eingesetzt. Bis Ende 2011 werde auch der letzte GI abgezogen sein.
Die irakische Regierung und ein Teil der dortigen Bevölkerung haben diese Entschlüsse des WeiÃen Hauses mit gemischten Gefühlen aufgenommen. In die Genugtuung darüber, daà das Land demnächst von der fremden, ungläubigen Besatzungstruppe befreit sein wird, mischt sich die Sorge der politischen Klasse, die seit den Parlamentswahlen vor ein paar Monaten immer noch nicht fähig ist, eine funktionsfähige neue Regierungsmannschaft aufzustellen. Ministerpräsident Nuri el-Maliki amtiert weiter, aber sein Gegenkandidat Allawi, ein säkularer Schiite, hinter dem sich viele Anhänger der arabisch-sunnitischen Bevölkerungsminderheit gesammelt haben, lag um ein paar tausend Stimmen vor dem bisherigen Regierungschef.
Nichts ist geklärt in Bagdad. Die zwei schiitischen Parteien, die unter dem geistlichen Einfluà des GroÃayatollah Ali es-ÂSistani stehen, versuchen in enger Kooperation, Allawi den Weg zu versperren und vor allem zu verhindern, daà die sunnitische Führungsschicht, die seit Jahrhunderten die schiitisch-arabische Mehrheit von rund 65 Prozent drangsaliert und unterdrückt hatte, wieder die Macht an sich reiÃt. Unlängst waren sie noch von dem Diktator Saddam Hussein
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