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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Verwirrung zu stiften. Schon richtet sich der Blick auf die Masse von vier Millionen Muslimen, die im Land ansässig geworden sind. Doch die Experten sollten von der Vorstellung einer Verschwörungstheorie Abstand nehmen, wonach die Krake einer zentralen Organisation ihre Schläge gegen die westliche Welt und deren Lebensstil ausführt. El Qaida ist in viele Splittergruppen unterteilt. Es besteht wenig Gemeinsamkeit zwischen den marokkanischen Bombenlegern von Madrid und den indonesischen Killergruppen von Bali. Die Motivationen können völlig unterschiedlich sein. So handelte es sich bei der Erstürmung des Taj-Hotels in Mumbai nicht um religiöse Fanatiker, sondern um eine vom pakistanischen Geheimdienst gesteuerte Aktion von Todesfreiwilligen. Was nun Deutschland betrifft, so rechnen die Geheimdienste weit weniger mit Gewaltakten der Einwanderer aus der Türkei und Anatolien. Ihr Augenmerk richtet sich vornehmlich auf die kleine Gruppe von jungen Deutschen, die zum Islam konvertiert sind und ihre Frustration, ihren Haß auf die eigene Gesellschaft in den weiten Mantel eines pseudo-islamischen Extremismus hüllen. Offenbar wollen sie sich selbst das trügerische Gefühl eigener Bedeutung verschaffen.
    Es hat sich viel geändert seit dem Schicksalstag 9/11. Inzwischen läßt sich nicht mehr verheimlichen, daß der Schwerpunkt der terroristischen Verschwörung nicht in Afghanistan, sondern in Saudi-Arabien beheimatet ist. Die Kerntruppe von El Qaida hat sich vom Hindukusch zurückgezogen und in den benachbarten Stammesgebieten Pakistans Zuflucht gefunden.
    Auch das furchterregende Bild, das sich die Medien weltweit von Osama Bin Laden machten, muß gründlich revidiert werden. Fast scheint es, als hätte eine gezielte amerikanische Propaganda diesen Sohn eines reichen Bauunternehmers zu einem apokalyptischen Reiter aufgebauscht. Diejenigen, die Osama Bin Laden wirklich kennengelernt haben, schildern ihn als rechtschaffenen Krieger auf dem Wege Allahs, der mit dem US-Geheimdienst CIA in der islamischen Welt eine Art grüne Brigade rekrutierte, um den Widerstand der Afghanen gegen die sowjetische Besatzung zu stärken. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnte es nicht ausbleiben, daß diese bunte Gruppe islamischer Gotteskrieger sich gegen einen anderen Feind Allahs wenden würde.
    Es galt nun, den Kampf gegen die USA aufzunehmen. Daß Osama Bin Laden die Fähigkeiten abgehen, einen wirksamen Widerstand zu organisieren, hat sich inzwischen im ganzen Orient herumgesprochen. In Kabul und Teheran wird gelegentlich gar der Verdacht geäußert, dieser privilegierte Sproß der saudischen Oligarchie habe mit dem Gegner paktiert. »Osama ist der Bruder von Obama«, scherzt man in den Teestuben von Kabul.
    Um zur Psychose islamischer Gewalttaten in Westeuropa zurückzukehren: Bislang haben sich diese Komplotte durch sträflichen Dilettantismus ausgezeichnet. Es ist bemerkenswert, daß die USA seit 9/11 kein einziges Mal durch Terrorakte heimgesucht wurden. Ein paar Bombenattentate werden schwerlich den Lauf der Welt grundlegend verändern können. Es sei denn, eine unkontrollierbare Bande von religiösen Fanatikern oder Kriminellen geriete in den Besitz von radioaktivem Material – es braucht beileibe keine Atombombe zu sein. Dann allerdings wären die globalen Auswirkungen kaum zu ermessen.
    Beginn des Cyber-War
    27. 12. 2010
    Zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken dieser Saison gehörten alle Sorten elektronischer Kommunikationsgeräte. In die Freude über die technische Wunderwelt mischt sich jedoch die Befürchtung, daß die Intimsphäre, die bislang als höchstes Gut galt, Schritt für Schritt vernichtet wird. Die Vorstellungen George Orwells, die er auf das Jahr 1984 datierte und mit der Tyrannei der Computer verwob, haben wir längst hinter uns.
    In den Kolumnen der Printmedien ist der Streit darüber entbrannt, ob die kollektiven Enthüllungen von WikiLeaks der Demokratisierung der Gesellschaft oder einer hemmungslosen Schnüffelei dienen werden. Dazu kommt die Sucht, durch die Offenlegung des eigenen Seelenlebens per Internet am Exhibitionismus der Prominenten teilzuhaben.
    Man ist sich darüber einig, daß die Einführung der Elektronik eine kulturelle Revolution darstellt. Die WikiLeaks-Affäre hat dieser Entwicklung eine sensationelle, aber auch unheimliche Dimension verliehen.
    Die

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