Die Welt der Drachen
den breiten, gewölbten Korridor betraten.
Sie erreichten die riesige natürliche Höhle, die Mnementh seit seiner Jugend als Lagerstatt diente. F'lar sah sich mit kritischen Augen um. Der Raum war fraglos größer als die meisten Burgsäle, die er während seiner Suche betreten hatte.
Aber plötzlich erkannte er, dass er kaum weniger schäbig und verkommen wirkte als der Saal von Ruatha. Gewiss, Benden war einer der ältesten Weyr, so wie Ruatha eine der ältesten Burgen war.
Wie viele Drachen hatten hier in dieser Mulde geschlafen?
Wie viele Füße waren über den Felsenpfad zum Schlafgemach und der dahinterliegenden Badehöhle gegangen, in der eine warme Quelle sprudelte?
Doch das alles war keine Entschuldigung. Die Gobelins an den Wänden hatten verwaschene Farben und zeigten an manchen Stellen Löcher. Und die Fettflecken am Boden und auf den Fenstersimsen ließen sich mit Sand ohne weiteres wegscheuern.
Er bemerkte Lessas argwöhnischen Gesichtsausdruck, als er im Schlafgemach stehenblieb.
»Ich muss noch Mnementh futtern«, sagte er. »Sie können also zuerst baden.«
Er beugte sich über eine Truhe und wühlte ein paar saubere Kleider hervor, abgelegte Sachen seiner früheren Gefährtinnen, aber immer noch weitaus besser als die Lumpen, die sie trug.
Das weiße Wollgewand, das sie bei der Gegenüberstellung anziehen würde, faltete er sorgfältig zusammen und legte es beiseite.
Er schob ihr die Kleider und einen Beutel mit Waschkleie zu und deutete auf den Vorhang, der den Baderaum vom Schlafgemach abtrennte.
Dann drehte er sich um und ging hinaus.
Mnementh informierte ihn, dass F'nor Canth fütterte und dass er selbst am Verhungern sei. Boshaft fügte er hinzu, dass sie F'lar misstraute, aber nicht die geringste Scheu vor einem Drachen zeige.
»Weshalb sollte sie auch?« erwiderte F'lar. »Du bist ein Vetter des Wachwhers, der ihr einziger Freund war.«
Mnementh erklärte entrüstet, dass er, ein ausgewachsener Bronzedrache, nicht die geringste Beziehung zu einem dürren, angeketteten, armseligen Wachwher habe.
»Weshalb hast du ihm dann eine Ehre erwiesen, die nur den Drachen gebührt?« erkundigte sich F'lar.
Mnementh entgegnete hochmütig, dass es sich einfach gehörte, das Dahinscheiden eines treuen und selbstaufopfernden Geschöpfes zu beklagen.
Nicht einmal ein blauer Drache könne leugnen, dass der Wachwher von Ruatha die Wahrheit verschwiegen habe, obwohl er selbst, Mnementh, ihn hart bedrängt habe. Zudem habe er die Tapferkeit eines Drachen gezeigt, als er sein Leben aufgab, um einen Fehler wiedergutzumachen. Es sei ganz selbstverständlich, ihm die Drachenehre zu erweisen.
F'lar lachte vor sich hin. Es war ihm wieder einmal geglückt, den Bronzedrachen zu hänseln. Würdevoll glitt Mnementh zum Futterplatz hinunter.
F'lar sprang neben F'nor zu Boden. Die Erschütterung erinnerte ihn wieder an seine Schulterverletzung. Er musste das Mädchen darum bitten, dass sie die Wunde versorgte.
Während Mnementh auf einen fetten Bock zustieß, begrüßte F'nor seinen Bruder.
»Sie können jeden Moment ausschlüpfen«, sagte er. Seine Augen glänzten vor Erregung.
F'lar nickte nachdenklich. Er wusste, dass F'nor noch weitere Neuigkeiten für ihn hatte, aber er wollte den braunen Reiter nicht drängen. Sie sahen beide zu, wie F'nors Canth eine Rehgeiß aus der Herde holte. Der Drache umklammerte das sich wehrende Tier und trug es zu einem Felsvorsprung hinaus, wo er es in aller Ruhe verspeisen konnte.
Mnementh glitt bereits zum zweiten Mal über die Herde. Er suchte sich eine schwere Gans aus und flog mit ihr in die Höhe.
Wie immer fühlte F'lar Stolz in sich aufsteigen, wenn er das Spiel der Sonne auf den mächtigen Bronzeschwingen beobachtete. Mnementh bewegte sich mit besonderer Eleganz und Leichtigkeit.
»Lytol war überwältigt von der Berufung«, sagte F'nor. »Er lässt dich grüßen. Ich glaube, er gibt einen guten Verwalter ab.«
»Aus diesem Grunde wurde er ausgewählt«, entgegnete F'lar brummig, obwohl er sich über Lytols Reaktion freute. Das Verwalteramt war kein Ersatz für den Verlust eines Drachen, aber es forderte doch große Verantwortung von dem Mann.
»Im Hochland war man erleichtert über den Tod des Barons«, berichtete F'nor mit einem breiten Grinsen. »Und man trauerte ehrlich um Lady Gemma. Ich bin gespannt, wer die Nachfolge von Fax antritt.«
»Auf Ruatha?« fragte F'lar mit gerunzelter Stirn.
»Nein. Im Hochland und auf den anderen Burgen, die Fax
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