Die Welt der Drachen
Wachwhers in die Luft schnellte, geradewegs auf ihn zu.
Gleichzeitig hörte er Lessas entsetzten Aufschrei und Mnemenths Brüllen. Der Bronzedrache wollte seinen mächtigen Kopf zwischen den Wachwher und F'lar schieben, doch noch vorher rief Lessa drängend : »Nicht töten! Nicht töten!«
Das Knurren des Wachwhers verwandelte sich in ein schmerzerfülltes Winseln. Er vollführte mitten in der Luft ein unglaubliches Manöver, das die beabsichtigte Flugbahn veränderte. Einen Meter von F'lar entfernt landete er mit einem dumpfen Aufprall. Man hörte die Knochen splittern.
Bevor der Bronzereiter sich erheben konnte, kniete Lessa mit verzweifelter Miene neben dem Tier und umarmte es.
Mnementh stieß den Wachwher sanft mit der Schnauze an.
Er erklärte F'lar, dass der Wher in Verwirrung geraten sei, als Lessa sich von ihm verabschiedete. Er hatte geglaubt, sie befinde sich in Gefahr, weil sie die Burg ihrer Vorfahren verließ. Als er dann ihren angstvollen Befehl hörte, versuchte er den Fehler wiedergutzumachen... auf Kosten des eigenen Lebens.
»Er hat mich wirklich nur verteidigt«, fügte Lessa mit erstickter Stimme hinzu. Sie räusperte sich. »Er war mein Freund... das einzige Geschöpf, dem ich vertrauen konnte.«
F'lar klopfte ihr ungeschickt auf die Schulter. Der Gedanke, dass jemand auf die Freundschaft eines Wachwhers angewiesen sein könnte, entsetzte ihn.
»Ein wahrhaft treues Tier«, sagte er und blieb geduldig neben ihr stehen, bis das Licht in den grüngoldenen Augen des Wachwhers erlosch.
Und plötzlich klang das hohe, beinahe unhörbare Klagen der Drachen auf, mit dem sie ihre Toten ehrten.
»Aber er war doch nur ein Wachwher«, murmelte Lessa, verwirrt von dem Achtungsbeweis der Drachen.
»Die Drachen tun, was sie für richtig halten«, stellte F'lar trocken fest.
Lessa warf noch einen Blick auf den schuppigen Kopf. Sie ließ ihn sanft zu Boden gleiten, strich über die gestutzten Flügel und öffnete dann das schwere Metallhalsband. Sie warf es mit einer heftigen Bewegung weg.
Dann erhob sie sich und ging mit entschlossenen Schritten auf Mnementh zu, ohne sich noch einmal umzusehen. Sie trat ruhig auf die erhobene Pfote des Bronzedrachen und schwang sich auf den breiten Nacken des Tieres. F'lar hielt nach den Reitern Ausschau, die ihn zum Weyr begleiten sollten. Die Bewohner der Burg hatten sich in den Großen Saal zurückgezogen. Als seine Leute versammelt waren, schwang er sich hinter Lessa auf Mnementh.
»Halten Sie sich gut an mir fest«, befahl er, als er den Kamm des Drachen umklammerte und das Zeichen zum Aufbruch gab.
Lessas Finger umkrampften seine Arme, als der Bronzedrache senkrecht vom Boden abhob und mit seinen mächtigen Schwingen die Luft aufwirbelte. Nach kurzer Zeit lag die Klippe unter ihnen. F'Iar drehte sich um. Die übrigen Reiter folgten ihm in perfekter Formation.
Er gab Mnementh den Befehl, ins Dazwischen zu tauchen.
Nur ein kurzes Atemstocken verriet die Erregung des Mädchens, als sie sich plötzlich im Dazwischen befand. Selbst F'lar, der an die brennende Kälte und das Schweigen gewöhnt war, empfand jedes Mal von neuem ein Gefühl der Unsicherheit. Aber man blieb höchstens drei Atemzüge lang im Dazwischen.
Mnementh drückte brummend seine Bewunderung über die Ruhe des Mädchens aus. Sie hatte keine Angst gezeigt wie andere Frauen, die oft genug zu schreien begannen. F'lar spürte ihr Herzklopfen, aber das war alles.
Und dann kreisten sie über dem Weyr. Die Flügel Mnemenths glitzerten im hellen Sonnenlicht. Sie waren eine halbe Welt entfernt vom nächtlichen Ruatha.
F'lar spürte Lessas Staunen, als sie über der gewaltigen Steinsenke des Weyr schwebten. In ihren Zügen spiegelte sich Begeisterung wider; sie zeigte nicht die geringste Furcht, obwohl sie mehr als tausend Längen über dem Benden-Gebirge kreisten. Dann, als die sieben Drachen ihren Willkommensschrei ausstießen, huschte ein ungläubiges Lächeln über ihr Gesicht.
Die Drachenreiter flogen in einer weiten Spirale auf den Weyr zu bis auf Mnementh, der es vorzog, sich in gemächlichen Kreisen nach unten zu senken. Die Drachenreiter suchten ihre Wohnhöhlen auf den verschieden hohen Vorsprüngen des Weyrs auf. Auch Mnementh bremste seinen Flug ab und landete elegant auf einem Steinsims. F'lar half dem Mädchen beim Absteigen, und sie warf einen scheuen Blick auf die Felsen, die von Mnemenths Krallen glatt geschliffen waren.
»Hier geht es zu unserem Quartier«, erklärte er, als sie
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