Die Welt der grünen Lady
Stoffstreifen kehrte ich zu den anderen zurück.
Die Feuchtigkeit hatte bei mir eine so belebende Wirkung, daß ich überzeugt war, sie würde auch Kosgro helfen. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, so daß ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Er hatte beide Hände auf seine Brustbandage gepreßt. Ich kniete neben ihm nieder und berührte ihn behutsam an der Schulter.
»Du mußt mir erlauben, deine Wunde zu behandeln«, sagte ich. »Wenn sie sich entzündet, bedeutet das nicht nur Lebensgefahr für dich, sondern für uns alle.«
Er starrte mich dumpf an, als ob er mich gar nicht hörte. Ich legte das befeuchtete Tuch auf meinen Zweig, damit es nicht mit dem Boden in Berührung kam und schob seine Hände beiseite, um seinen schmutzigen, blutbefleckten Verband zu lösen. Darunter kam mitten auf seiner breiten Brust eine scharfe rote, an den Rändern geschwollene Linie zum Vorschein. Ich verstand nicht viel von Wunden und Wundbehandlung, aber es sah übel aus.
Kosgros Kopf war wieder vornüber gesunken, und er erhob keinen Protest. Ich nahm das feuchte Tuch und betupfte damit vorsichtig die rotgeschwollenen Stellen.
Kosgro zuckte heftig zusammen. Aber dann spannte sich sein Körper, als ob er spürte, daß dies ein notwendiger Schmerz war, der ertragen werden mußte. Zweimal noch ging ich zu den Bäumen zurück, um mein Stück Stoff zu befeuchten und die Wunde damit zu behandeln. Beim dritten Mal starrte ich erstaunt auf die Wunde und glaubte meinen Augen nicht zu trauen – die Entzündung war deutlich zurückgegangen!
Dann befeuchtete ich ein letztes Mal das Tuch und legte ihm damit einen neuen Verband an, den ich mit der gleichen Nadel befestigte, die er benutzt hatte – ein Kragenabzeichen, verfärbt zwar, aber immer noch erkenntlich als das eines Ersten Scouts. Er seufzte, als ich fertig war, und sein Körper entspannte sich.
»Wie schlimm ist es?« fragte er.
»Es sah ziemlich schlimm aus, aber der Tau vom Baum hat geholfen. Jetzt ist es nicht mehr so entzündet.«
Vorsichtig spannte er seine Muskeln. »Du hast wohl recht. Es schmerzt bei weitem weniger.«
Ich riß ein weiteres Stück von meiner Tunika ab, befeuchtete es mit Baumtau und ging damit zu Oomark. »Laß mich dein Gesicht waschen«, sagte ich ruhig. Er versuchte, mir auszuweichen, aber Kosgro hielt ihn fest. Wieder tupfte ich vorsichtig mit dem Tuch Oomarks Gesicht ab, und er schrie nicht auf, wie ich es erwartet hatte, sondern erduldete es, wenn auch am ganzen Körper zitternd.
Als ich das gleiche bei Bartare tun wollte, wehrte sie sich mit Händen und Füßen. »Wenn du das tust«, schrie sie, »dann kann ich euer Tor nicht für euch finden … dann werde ich eine Dazwischen sein … Dazwischen!« Sie kämpfte so heftig gegen Kosgro, der sie halten wollte, und schrie so hysterisch, daß ich stehenblieb.
»Aber du brauchst Wasser, Bartare, und ich habe entdeckt, daß dieser Tau den Durst löscht.«
»Wenn ihr mich dazu zwingt, dann werdet ihr sehen, was geschieht!« schleuderte sie mir entgegen. »Wenn die Folke den Notus benutzen, vergessen sie, was sie wissen. Ich sage euch, ich werde alles vergessen – auch das, was euch am meisten von Nutzen ist!«
Offensichtlich glaubte sie daran, und ich wagte nicht, das Risiko einzugehen.
Ich faltete das befeuchtete Tuch zusammen und steckte es unter meinen Gürtel.
Kosgro holte das Bündel mit unseren Vorräten hervor und reichte es mir. Mir wurde angst und bange, als ich sah, wie wenig wir noch hatten. Dennoch bot ich den Kindern davon an. Bartare lehnte mit übertriebenem Widerwillen ab. Zu meiner großen Überraschung nahm Oomark jedoch eine Waffel an. Er aß sie in kleinen Bissen und kaute, als äße er etwas Bitteres – aber er aß.
Neue Hoffnung stieg in mir auf, als ich ihn so beobachtete. Vielleicht hatte der Notus in ihm bereits eine kleine Veränderung bewirkt.
Die Portion, die Kosgro und ich uns teilten, war wirklich sehr klein, aber diesmal benötigte mein Körper nicht mehr. Dann begutachtete ich die Bandagen um meine Füße, die schon wieder halb durchgescheuert waren. Kosgro hatte mich beobachtet.
»Warum versuchst du es nicht mal mit den Blättern?« Er deutete auf einen zusammengewehten kleinen Haufen der bandartigen Blätter unter dem nächsten Norusbaum. Sie waren gelblich und welk, aber als ich eine Handvoll aufsammelte und befühlte, entdeckte ich, daß sie unglaublich zäh waren. Sofort machte ich mich daran, eine ganze Menge einzusammeln.
»Laß mich das machen.«
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