Die Welt der Kelten
Christentum noch nicht kennen und heidnisch-barbarische
Verhältnisse wiedergeben. Ihre typischsten Figuren stellen die Krieger und Zauberer, die gegen allerlei Unholde, Geister und
Bösewichter kämpfen müssen. Aber letztendlich bleiben die Guten stets Sieger, nicht zuletzt wegen ihrer Tapferkeit und ihren
magischen Fähigkeiten. Zur Fantasy gehört auch das Spiel mit zwei verschiedenen Welten, deren Grenzen überschritten werden.
Demzufolge gelangen die Helden wie Alice im Wunderland in eine Anderwelt und bestehen dort zahlreiche Abenteuer.
Diese Literaturgattung bediente sich von Anfang an keltischer Stoffe, wie der irischen Heldenerzählungen, der walisischen
Sagengeschichten und der Überlieferungen um König Arthur. Darin finden sich etliche Vorbilder an Magiern, Kämpfern und gefährlichen
Untieren. Die Popularität dieser Stoffe hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die weite Verbreitung keltischstämmiger
Motive gesorgt, ohne dass sich die Leser |235| dessen bewusst wären. Gleichwohl ist das Fantasiereich der inselkeltischen Kulturen weltweit vertreten und weit verbreitet.
Dabei bedient man sich in Literatur und Film besonders häufig der Erzählungen von König Arthur, Merlin und dem heiligen Gral,
wie sie Sir Thomas Malory in
Der Tod Arthurs
zusammengefasst hat. Moderne Fantasyautoren berufen sich in ihren Neubearbeitungen weniger auf die mittelalterliche Atmosphäre
als auf eine stärkere Betonung der älteren keltischen Elemente. So schuf der Engländer T.H. White (1906 –1964) mit seiner
Arthur-Version
Der König auf Camelot
zwar ein Werk, das sich mit den aktuellen Themen von Gerechtigkeit und Frieden auseinander setzt, das aber anscheinend auch
auf Motive der Inselkelten zurückgreift. Deren Stimme wird vernehmbar, wenn Merlin, hier Arthurs Hauslehrer, seinen Zögling
in einen Fisch verwandelt, damit dieser die Welt besser begreifen lerne – was an die Gestaltwechsel irischer Erzählungen erinnert.
Merlin verwandelt den Jungen auf dessen Wunsch in einen Barsch, indem er seinen Zauberstab erhebt. Daraufhin erscheint über
der Burg mit einem Getöse von Muscheln und Schnecken ein fröhlicher, beleibter Mann, |236| der splitternackt ist und auf einer Wolke reitet. Er richtet seinen Dreizack auf Arthur und lässt ihn von der Zugbrücke in
den Burggraben fallen, wobei sich dieser in den besagten Fisch verwandelt. Nur mühsam gewöhnt er sich an seine neue Gestalt
und an die ungewöhnlichen Eindrücke. Seine Beine waren mit dem Rückgrat zu einem Ganzen verwachsen, die Füße hatten die Gestalt
einer Schwanzflosse angenommen; ebenso waren aus den Armen Flossen geworden. Der junge Arthur bestaunt seinen olivgrünen Körper,
dessen kräftiger Schuppenpanzer ihm seltsam anmutet. Mehr noch beschäftigt ihn jedoch die Kunst der Bewegung, da er die Orientierung
weitgehend verloren hat. Er fragt sich, wo bei ihm eigentlich hinten und vorn sei, wo rechts und links. Nach den Anweisungen
Merlins, der als Schlei neben ihm schwimmt, versucht er in Bewegung zu bleiben und eine Richtung einzuschlagen. Erst dann
entdeckt er ein völlig neues Universum, eine andere Welt, die zweigeteilt scheint in einen Horizont oberhalb und unterhalb
des Wassers. Da die Wasseroberfläche das, was unter ihr ist, in Teilen widerspiegelt, offenbart sich dem jungen Arthur eine
ungeahnte Fülle an Farben, durch die er im Wasser dahinfliegt.
|237| 1982 sorgte die Amerikanerin Marion Zimmer Bradley (1930 –1999) mit dem Roman
Die Nebel von Avalon
für eine dickleibige Neubearbeitung des Arthur-Stoffes, die zu einem Weltbestseller geworden ist. Die Autorin traf offensichtlich
den Zeitgeist und die Lesewünsche und Träume zahlreicher Leserinnen, indem sie die Geschichte einer gleichsam feministischen
Neuinterpretation unterzog. Sie erzählt die sagenhaften Ereignisse aus weiblicher Perspektive und macht Morgaine zur eigentlichen
Heldin des Geschehens, die Halbschwester Arthurs, der unwissentlich mit ihr einen Sohn zeugt. Bradley macht sie zu einer großen
und guten Zauberin, zu einer weisen Frau, die einem ganzen Priesterinnenstand angehört und einer Welt, deren Ende nahe ist.
Denn Britannien ist zweigeteilt in die Welt der Christen unter dem einen Gott und Christus und in die Welt der Großen Mutter,
die hinter und neben der Christenwelt zu finden ist. In dieser Anderwelt lebt das Alte Volk, das die Göttin verehrt. Ihm wird
es ergehen wie einstmals dem Volk der
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