Die Welt der Kelten
Abscheulichen, mit seinen Orkscharen und anderen finsteren Verbündeten stehen die noch freien Völker Mittelerdes gegenüber,
insbesondere die Menschen, Elben und Zwerge. Als deren Anführer erweisen sich im letzten Kampf der Zauberer Gandalf und der
Krieger und Thronerbe Aragorn.
Die Haupthandlung des
Herrn der Ringe
vollzieht sich nur über wenige Monate, bildet aber gleichwohl den Höhepunkt in Tolkiens fiktiver Geschichte. Dabei fällt ausgerechnet
dem unauffälligen Hobbit Frodo Beutlin die Aufgabe zu, den einen Ring zu vernichten, der absolute Macht verspricht. Dies kann
nur in den feurigen Klüften des Schicksalsberges mitten im Land Saurons geschehen, der selbst den Ring mit aller Kraft sucht.
Und obwohl das Gute siegt und Sauron vernichtet wird, herrscht ein zutiefst melancholischer Grundton vor: Ein ganzes Zeitalter
geht nämlich zu Ende, die letzten Elben verlassen Mittelerde, um in die unsterblichen Lande jenseits des westlichen Meeres
zu segeln – und mit ihnen der heldenmütige Hobbit Frodo. Er hat die ursprüngliche Unschuld seines Auenlandes verloren und
wird von einer tiefen Sehnsucht erfüllt. Mit dem letzten elbischen |239| Schiff erlischt die alte Welt und an ihre Stelle tritt die Herrschaft der Menschen.
J.R.R. Tolkien als Schöpfer dieses vielschichtigen Mythenuniversums sah in Mittelerde seine Heimat England in einer weit zurückliegenden
Vergangenheit – natürlich nicht als historische Wirklichkeit, sondern als Mythologie des Nordwestens Europas und damit der
Britischen Inseln. Deshalb schuf er seine fiktive Welt aus eigenständigen Elementen sowie aus einer Vielzahl von Namen, Figuren
und Motiven aus germanischen und keltischen Überlieferungen. Der Professor für mittelalterliche englische Sprache und Literatur
galt ohnehin als deren profunder Kenner. Er beherrschte nicht nur die historischen angelsächsischen Mundarten, das mittelalterliche
Englisch, das isländische Altnordisch und Gotisch, sondern kannte auch die inselkeltischen Sprachen wie das Altirische und
das Walisische. Dessen mittelalterliche Form des Mittelkymrischen, die Sprache der walisischen Sagenaufzeichnungen, schätzte
Tolkien besonders und ließ sie in die Schöpfung seiner Kunstsprachen einfließen. Darüber hinaus galt er als Kenner der nordwesteuropäischen
Sagen- und Mythenwelt – der Arthur-Überlieferungen, der isländischen Sagas und Eddas, des altenglischen Heldenepos Beowulf
und des walisischen Mabinogion wie der altirischen Heldenerzählungen.
Sie boten allesamt reichliche Vorlagen, die Tolkien in seine Fantasywelt einbaute, wodurch er eine Durchdringung von Fantasie
und Überlieferung erreichte. So entnahm er den Begriff von Mittelerde der germanisch-altnordischen Mythologie, aus deren Eddaliedern
auch der Zauberername Gandalf und die Bezeichnungen der Zwerge stammen.
Über Tolkiens weniger offensichtliche Vorlagen kann nur spekuliert werden, weil er nirgendwo detailliert darüber Rechenschaft
ablegte: Die Aufzeichnungen um den so genannten Ringkrieg des
Herrn der Ringe
will er einem von den Hobbits geschriebenen Roten Buch der Westmark entnommen haben – womit er das beliebte literarische Stilmittel
einer fiktiven Quelle anwendet. Dieser Titel hat ein reales Vorbild im
Roten Buch des Hergest
, einer umfangreichen walisischen Handschrift mit vielen Sagen. Die Gestalt des Zauberers Gandalf vereint Züge des nordgermanischen
Gottes Odin mit denen Merlins und des Archetyps vom weisen Druiden. In der Liebe zwischen dem Thronerben Aragorn und der Halbelbin
Arwen thematisiert Tolkien ein schon andernorts erwähntes irisches Sagenmotiv, nämlich die Beziehung eines sterblichen Menschen
zu einer unsterblichen Überirdischen. Und hinter den unsterblichen Landen weit über dem Meer im Westen schimmert jene sagenhafte
Insel durch, von der die irischen Geschichten des Mittelalters häufig erzählen und die sich auch in König Arthurs Avalon wiederfindet.
Am schönsten zeigt sich der Einfluss inselkeltischer Mythen und Erzählungen |240| in Tolkiens Vorstellung des Elbenvolkes, das schon mit seinem Namen auf die Nähe zu den irischen Elfen und Feen verweist.
In den Geschichten um Mittelerde sind sie ein Volk, dessen Zeit vorüber ist und das sich im Aufbruch nach Westen befindet.
Für menschliche Zeitvorstellungen sind sie unsterblich, wiewohl von Gestalt menschenähnlich, nur in allem schöner und edler.
Insofern kennzeichnen Weisheit und Kunstverständnis
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