Die Welt der Kelten
Obwohl über die Heilkunst der
keltischen Priester- und Gelehrtenkaste nur Mutmaßungen angestellt werden können, bieten heutzutage etliche Vertreter einer
so genannten Druidenmedizin ihre Dienste an. Auch für sie als Bestandteil des Kelten-Spiels gilt, dass allein der Glaube zählt
– von den authentischen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Druiden ist leider kaum etwas überliefert worden.
Noch größerer Beliebtheit erfreut sich die den Kelten nachgesagte besondere Verehrung der Bäume – wofür es in der Tat zahlreiche
Zeugnisse gibt. Nach ihnen kannte man nicht nur heilige Haine und ebensolche Baumarten, sondern auch Baumgötter und deren
Mythen. Aber keine archäologische oder schriftliche Quelle bescheinigt den Kelten eine Zeitrechnung, die sich ausdrücklich
an einzelnen Baumarten orientierte. Diesen Eindruck erweckt lediglich eine große Zahl so genannter keltischer Baumkalender
und -horoskope. Sie berufen sich auf einen angeblichen Baumkreis, mit dessen Hilfe die Jahresabschnitte bestimmten Bäumen
zugeordnet werden – und zwar ganz im Sinne der Kelten. Ohne hier weiter auf dieses System einzugehen, sei lediglich auf die
angewandten Entsprechungen zwischen Baum und jeweiligem Geburtstag hingewiesen. Ihnen zufolge gibt es beispielsweise Kastanienfrauen,
Eschenmänner und Apfelbaummenschen, die allesamt die Eigenschaft ihres Baumes mit auf den Lebensweg bekommen haben. Je nachdem
sind sie strebsam, selbstkritisch, schöpferisch und so weiter.
Bei der herrschenden Vorliebe für Bäume und deren ständiger Bedrohung durch das Waldsterben greifen viele Menschen auf das
Angebot derartiger Ratgeber zurück, die ihnen ein besonderes Verhältnis zu Bäumen verheißen. Sie stehen zumal für eine ehrliche
Natürlichkeit, der man |233| nach dem Motto »Bäume lügen nicht« vertrauen kann. Der Baum erweist sich in der komplizierten und unüberschaubaren Welt als
guter Freund, dessen Verständnis die sich auf ihn berufenden Kalender und Horoskope fördern wollen.
Trotzdem haben auch sie nichts mit den Kelten zu tun. Mittlerweile glaubt man sogar, ihre Herkunft zurückverfolgen zu können.
Diese Erkenntnisse führen nicht in die Zeit vor zwei oder zweieinhalb Jahrtausenden, sondern in die siebziger Jahre des 20.
Jahrhunderts. Damals erfand eine Journalistin den »keltischen Baumkalender« für eine französische Frauenzeitschrift, die ihren
Leserinnen ein neuartiges Horoskop bieten wollte. Aus Frankreich gelangte die Erfindung angeblich in einen polnischen Gartenkalender,
dem sie schließlich für ihre Verwendung in Deutschland entnommen wurde.
Doch diesen frühgeschichtlichen Europäern einen schonenden und gewissermaßen ökologischen Umgang mit der Natur zu unterstellen,
ist sehr zweifelhaft. Ihre Handwerker waren bekanntlich die Meister der Eisenproduktion, für deren Schmelzöfen sie Unmengen
an Holzkohle benötigten. Darum gehörten die Kelten zu den frühen Baumfällern, denen der heimische Wald massenhaft zum Opfer
fiel. Die meisten ihrer Siedlungen und Dörfer lagen inmitten eines stark entwaldeten Umlandes. Darüber ist gegebenenfalls
schon lange wieder Wald gewachsen. Aber außer ihren materiellen Erzeugnissen hinterließen sie einen anderen, weit langlebigeren
Überrest. Die keltischen Schmiede verwendeten nämlich bei der Metallschmelze Blei als Zusatzstoff. Dieses giftige Metall ist
noch heute nach 2 000 Jahren an seiner hohen Konzentration nachweisbar und kündet davon, dass die Kelten unter anderem auch
die ersten Umweltsünder Europas waren.
Fantasy ist Keltenland
Die keltische Kultur bietet mit ihren Überlieferungen aber nicht nur Stoff für mehr oder weniger dubiose Esoteriklehren. Die
inselkeltischen literarischen Zeugnisse und in ihrem Gefolge die Geschichten um König Arthur bieten eine Fülle von Motiven,
die literarisch verwendet und neu gestaltet werden. Sie prägten in besonderem Maße die Fantasyliteratur, die ihren Ausgang
auf den Britischen Inseln nahm und in Lewis Caroll einen frühen Vorgänger fand.
Die Autoren dieser populären Gattung, deren Bücher häufig als Filmvorlage dienen, siedeln die Handlungen ihrer Abenteuergeschichten
zumeist in Welten an, die mit der unsrigen offensichtlich nichts zu tun |234| haben. Sie spielen in einer imaginären Vergangenheit, die an die frühgeschichtlichen und mittelalterlichen Epochen der realen
Historie erinnert. Dort kämpfen die Helden und Heldinnen in Fantasieländern, die das
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