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Die Welt der Kelten

Die Welt der Kelten

Titel: Die Welt der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf Krause
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Thüringen hat man keltische Siedlungsspuren
     gefunden. Entlang solcher Spuren und Reste entstehen »Keltenstraßen« und »Keltenerlebniswege«, die an die Zeugnisse der fernen
     Vergangenheit erinnern – und sich im Zeitalter der europäischen Einigung auf ein Volk berufen, das als jenes der frühen Europäer
     bezeichnet wird. Deren vermeintliche Nachfahren suchen ihre Nähe nicht selten auf dem Weg des Spiels, dem sie sich in möglichst
     authentischen Formen hingeben – bevorzugt als keltische Krieger und Kriegerinnen, die auf den zahlreichen Keltenfesten die
     Attraktionen bilden.
    Bei diesen sich wissenschaftlichen Erkenntnissen verpflichtet fühlenden Aktivitäten scheint, wie bei den im Folgenden zu besprechenden,
     das herkömmliche Bild von den Kelten einen wichtigen Anreiz zu bilden. Danach repräsentieren sie seit der Antike das Andere,
     das der herrschenden Zivilisation gegenübersteht – so wie die Barbaren den Griechen und Römern. Damals waren sie als irrational,
     wankelmütig und unzuverlässig verschrien, darüber hinaus als ausschweifend und irgendwie unbegreiflich. Mit der Ossian-Begeisterung
     und der Romantik verklärte man diese Eigenschaften zu Gegebenheiten, die mancher noch heute als typisch irisch oder walisisch |230| sieht. Dementsprechend gelten Kelten als noch unverbildete Angehörige einer originalen Kultur, die uralte Relikte am stillen
     Rand Europas bewahrt hat. Deren Menschen seien emotional und spontan, während sie betonter Disziplin, politischer Organisation
     und dem Übergewicht kühler Vernunft eher ablehnend gegenüber stünden. Ihre Gemeinsamkeiten sieht man vor allem in den Sprachen
     wie in der Kultur, wobei sich die Musik besonderer Beliebtheit erfreut.
    Der Umgang mit dem angeblichen keltischen Erbe zeichnet sich jedoch nicht nur durch derartige Meinungen oder Vorurteile aus.
     Verbreitet ist ein esoterisches Spiel mit den Kelten und ihrer Kultur, das darauf beruht, ihnen Eigenschaften und Fähigkeiten
     zu unterstellen, die streng wissenschaftlich keinesfalls erwiesen und oft schlichtweg falsch sind. Die Anhänger dieses Kelten-Spiels
     nehmen sich gleichwohl sehr ernst und verweisen auf numinose Erkenntnisquellen, die meistens allein ihnen zugänglich sind.
     Sie schöpfen aus mehreren Traditionen, die in den letzten Jahrhunderten aufkamen und sich ihr eigenes Bild von den Kelten
     machten. Danach standen diese der Natur noch unmittelbar nahe und die sagenhaften Druiden verfügten über ein Wissen, das den
     modernen Menschen verloren gegangen ist – nicht allerdings den Eingeweihten der Esoterik, was schließlich Geheimlehre bedeutet.
    Sie verehren eine keltische Spiritualität und Religion, nach der die Natur voll von Kräften und Wesen ist, mit denen man sich
     austauschen kann – Berge und Quellen, Steine wie Bäume und so genannte starke Plätze, die den Gläubigen inspirieren und an
     der Macht des Numinosen teilhaben |231| lassen. Demnach ist die Welt der keltischen Esoterik geprägt von den Requisiten der Natur, von Hünen- und Hügelgräbern, von
     uralten Steinsetzungen und natürlich auch von Stonehenge, wo selbst ernannte Druiden und Neuheiden die Sommersonnenwende feiern.
     Und auf manchem spirituellen Weg an mystischen Steinen, Bäumen und Kraftplätzen vorbei ist der keltische Schamane nahe. Eingeweihte
     Frauen wie Männer vermögen auf diesem Weg zu helfen und einen ganzheitlichen Blick auf das Selbst und das Universum zu verschaffen.
     Dabei erübrigt sich fast der Hinweis, wie reich das Angebot an Hilfsmitteln dafür ist. Es erstreckt sich von Keltensteinen
     und Amuletten mit den keltentypischen Symbolen bis zu Erlebnisberichten und Ratgebern oder Workshop-Veranstaltungen. Doch
     stets ist der esoterische Zugang der keltischen oder pseudokeltischen Kultur und Religion Glaubenssache, der wissenschaftliche
     Fakten nicht beikommen können.
    Mag das Publikum davon überzeugt sein oder nicht – diese Art des Kelten-Spiels bedient und befriedigt die Bedürfnisse des
     modernen Menschen. Die Kelten dienen dabei der Projektion seiner Wünsche und Visionen: als Utopie in der Vergangenheit. Wenig
     haben sie mit dem halbwegs sicheren Bild der historischen Wirklichkeit zu tun, viel dagegen mit der Gegenwart. Denn nach weit
     verbreiteten Anschauungen repräsentieren sie einen gesellschaftlichen Zustand, in dem der Mensch mit der Natur eins war und
     über ein ganzheitliches Weltbild verfügte. Das Leben war überschaubar und gut, es verlief einfach,

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