Die Welt der Kelten
breiten und tiefen Graben ausgehoben. Das gewaltige Bauwerk diente wahrscheinlich
nicht nur Verteidigungszwecken, sondern symbolisierte auch die Macht des Stammes und seiner Führer. Unter den etlichen Toren
der Mauer fand sich eines, das als die größte bisher bekannte keltische Toranlage jener Zeit gilt und mutmaßlich römische
Stadttore zum Vorbild hatte.
Innerhalb der Mauern lebten mehrere tausend Einwohner. Unter ihnen arbeiteten viele Handwerker als Eisen- und Bronzeschmiede,
als Glashersteller, Töpfer und Knochenschnitzer. Wie in Manching und anderen Oppida lieferten Händler aus dem Süden die begehrten
Weinamphoren und das dazu passende Trinkgeschirr. Bibracte war jedoch nicht nur eine geschäftige Siedlung, in der eifrig produziert
wurde und wo Kaufleute mit ihren Waren ein- und ausgingen. In seinen Mauern befand sich außerdem der Regierungssitz der Haeduer,
an dem Gesandte und Delegationen aller gallischer Stämme empfangen wurden. Vom großen Haupttor führte eine bis zu 15 Meter
breite Straße quer durch das Oppidum hinauf zum höchsten Punkt, an dem sich eine Kultstätte befand. Sie wurde wahrscheinlich
als Mittelpunkt des ganzen Stammes angesehen und verehrt. Dafür sorgten die Druiden, die das religiöse Leben mit seinen Riten
und Zeremonien überwachten.
Unter ihnen ragte ein Mann namens Diviciacus besonders hervor, der nicht nur Druide war, sondern auch eines der beiden höchsten
Stammesämter innehatte. Wie Caesar berichtet, wurde sein Inhaber jährlich gewählt und hatte dann Gewalt über Leben und Tod.
Der regierende Druide pflegte gute Kontakte zu Rom, das er mindestens einmal besuchte. Während seines Aufenthaltes im Jahr
61 vor Chr. führte er unter anderem Gespräche mit dem römischen Staatsmann Cicero. Diviciacus unternahm seine Reise nach Rom
allerdings in großer Verzweiflung. Denn die Haeduer hatten in jüngster Zeit durch bittere Niederlagen ihre Vormachtstellung
in Gallien eingebüßt. Deshalb rief der Druide den römischen Senat um Hilfe an, die man ihm jedoch verwehrte. Er musste drei
Jahre warten, bis Gaius Julius Caesar Statthalter wurde und in Gallien intervenierte – zu Gunsten der Haeduer und auf Kosten
der gallischen Freiheit.
|70| Die Kelten: Meister des Eisens
Die Kelten galten weithin als die Meister des Eisens, mit dessen Beherrschung ihre Kultur identifiziert wurde. Deshalb fasst
man die Hallstatt- und La Tène-Zeit des letzten vorchristlichen Jahrtausends unter dem Begriff der Eisenzeit zusammen. Aber
sie waren weder die Entdecker noch die Erfinder des damals neuen und geradezu unverwüstlichen Metalls. Vor ihnen hüteten lange
Zeit die anatolischen Hethiter das Geheimnis von dessenVerarbeitung, bis es über den Balkan den Weg nach Mitteleuropa fand.Dort
eigneten sich die keltischen Handwerker diese Künste an und vervollkommneten sie derart, dass man sie sogar in den Hochkulturen
dafür rühmte. Immerhin soll um 400 vor Chr. in Rom ein keltischer Helvetier namens Helico gelebt haben, dessen Schmiedekünste
weit und breit berühmt waren. Diese später überlieferte Episode scheint einen Kern historischerWahrheit zu enthalten; denn
das lateinische Wort für Schwert
gladius
stammt aus der keltischen Sprache und belegt somit den Ruf des Schmiedehandwerks der Kelten.
Die Eisenverarbeitung unterschied sich in vielerlei Hinsicht von der der Bronze. Den dafür notwendigen Rohstoff des Eisenerzes
fand man fast überall in Europa – im Gegensatz zu den Bronzebestandteilen Kupfer und Zinn.Von der Gewinnung imTagebau künden
Spuren unter anderem im Siegerland, in Britannien, imAlpengebiet und in Lothringen. Der einfacheren Gewinnung folgte allerdings
eine kompliziertere |71| Verarbeitung, an deren Ende das Eisen geschmiedet werden musste: Erst im Schmiedefeuer wurde Roheisen zu Stahl und erhielt
seine typische Härte.Doch auch die Gewinnung des Roheisens war mit erheblichem Aufwand verbunden. Das Erz musste in so genannten
Schachtöfen verhüttet werden, in schacht- oder kuppelförmigen Lehmbauten von bis zu 1,5 Metern Höhe. Dort schied man durch
den Schmelzprozess die leichtflüssige Eisenschlacke vom teigigen Eisenschwamm, dem eigentlichen metallischen Eisen. Viele
Verhüttungsschritte und Wiederholungen waren nötig, um die Schlackenreste herauszupressen und möglichst reines Eisen zu gewinnen.
Für die Erzeugung hoher Brenntemperaturen brauchte man zudem Unmengen von Holzkohle,was zu
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