Die Welt der Kelten
auf eine Belagerung einstellte. Immerhin gelang es
den Legionären, zwei Stellungen auf halber Höhe einzunehmen und dort Befestigungen zu errichten. Zwischen beiden Lagern ließ
Caesar einen doppelten Graben ausheben, damit beide Stützpunkte über eine sichere Verbindung zueinander verfügten.
Während die Römer vor Gergovia mit Erdarbeiten beschäftigt waren, taten sich die Arverner durch Verhandlungsgeschick hervor.
Ihnen gelang es, den Führer der Haeduer, Convictolitavis, auf ihre Seite zu ziehen. Da Caesar diesem nach eigenen Angaben
das Amt verschafft hatte, war er über dessen Verrat erzürnt. Aber der Haeduer befand sich mit seiner Entscheidung auf der
Seite der jungen adligen Kämpfer, die schon längst gegen die Besatzer hatten losschlagen wollen. Auch sie wollten um die Freiheit
der gallischen Stämme kämpfen. 10 000 Krieger der Haeduer, die auf dem Weg zu Caesar waren, um sich ihm gegen die Arverner
anzuschließen, wurden aufgerufen, gegen die Römer zu kämpfen. Daraufhin plünderten sie römische Händler, die sie begleiteten,
und töteten sie »unter grausamen Foltern«.
Die Nachricht, dass die erwarteten Haeduer nicht als Verbündete, sondern als Feinde kamen, löste beim Statthalter Bestürzung
aus, da mit ihrem Eintreffen seine Soldaten in die Zange genommen werden würden. Ein weiteres Mal reagierte Caesar für die
Gallier unerwartet: Mit äußerster Schnelligkeit führte er vier Legionen und die Reiterei den 10 000 Kriegern entgegen. Dieser
Zug und die Argumente seiner Anhänger dürften bewirkt haben, dass die Haeduer die Waffen niederlegten. Caesars Gegner schlugen
sich nach Gergovia durch und schlossen sich Vercingetorix an.
Dieser hatte die zwischenzeitlich schwächer besetzten Römerlager von starken Kräften angreifen lassen. Tausende gallischer
Krieger hatten sie immer wieder bestürmt; fast pausenlos ging ein Regen von Pfeilen und allen möglichen Wurfgeschossen auf
sie nieder. Boten meldeten Caesar die Lage und forderten ihn dringend zur Rückkehr auf; denn die nächsten Angriffe würden
nicht lange auf sich warten lassen und nur mit Mühe habe man sich bisher behaupten können. Der römische Feldherr sah sich
in einer bedrohlichen Situation, die er im
Bellum Gallicum
treffend beschreibt: »Da Caesar einen größeren Aufstand in Gallien erwartete, überlegte er, wie er sich, um nicht von allen
Stämmen eingekreist zu werden, von Gergovia zurückziehen und das Gesamtheer wieder vereinigen könne, ohne dass sein Abzug
aussähe, als entspringe er der Furcht vor einem Aufstand, und ohne dass er einer Flucht gliche.«
Eine Schwachstelle der Gallier schien ihm die Gelegenheit für einen Überraschungsangriff zu bieten. Er sollte lediglich die
Feinde verunsichern |97| und auf keinen Fall eine große Schlacht eröffnen. In der Tat lief alles wie geplant: Die Legionäre nahmen einige kleinere
Lager der Gallier so unerwartet ein, dass angeblich ein aus dem Mittagsschlaf aufgeschreckter Stammeskönig nur mit Glück die
Flucht ergreifen konnte. Da der Angriff voll und ganz gelungen war, ließ Caesar zum Rückzug blasen. Aber drei vorwärts stürmende
Legionen hörten das Signal nicht. Sie standen vor den nur schwach verteidigten Mauern und Toren Gergovias, deren Einnahme
Offizieren wie Legionären Sieg, Ruhm und große Beute verhieß. Deshalb erinnerte man sich nicht der Befehle des Feldherrn und
alle stürmten weiter. Damit geriet die von Caesar sorgfältig geplante Aktion außer Kontrolle.
»Da aber erhob sich in allen Teilen der Stadt ein Geschrei, und da die Einwohner der etwas weiter entfernten Stadtbezirke,
die durch den plötzlichen Aufruhr in Schrecken versetzt wurden, glaubten, der Feind befinde sich schon innerhalb der Stadtmauern,
stürzten sie aus der Stadt hinaus. Die Frauen warfen von der Mauer Kleider und Silber herab, beugten sich mit entblößter Brust
hinüber, streckten die Hände aus und beschworen die Römer, sie zu verschonen und nicht, wie sie es bei Avaricum getan hätten,
selbst vor Frauen und Kindern keinen Halt zu machen. Einige ließen sich sogar an den Händen von der Mauer herab und lieferten
sich den Soldaten aus.« Während mancher Legionär schon Ausschau nach einer hübschen Sklavin hielt, stürmten die alarmierten
gallischen Krieger heran. Sie waren auf der anderen Seite des Oppidums mit Schanzarbeiten beschäftigt gewesen, als sie vom
römischen Angriff hörten. Nun strömten sie in großer Zahl
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