Die Welt der Kelten
Feinde von seinen Kriegsschiffen aus mit Schleudern, Bogen und schweren Geschützen
beschießen ließ. Dann ermutigten sich die Soldaten gegenseitig, sprangen von Bord und stürmten gegen die Britannier. Aber
eine gewohnte Schlachtordnung konnte nicht aufgebaut werden, und die flinken keltischen Reiter umzingelten etliche Gruppen
der Römer, die zudem durch ihr Gepäck behindert waren. Andere Feinde schleuderten Wurfgeschosse auf sie. Als Caesar die erneute
prekäre Lage seiner Soldaten erkannte, schickte er weitere Männer an Land. Mit ihrer Hilfe wendete sich das Kriegsglück, und
die Britannier zogen sich zurück. Da sich die römische Reiterei jedoch noch auf den Schiffen befand, konnten sie nicht verfolgt
werden. Dies sei, so Caesar, das Einzige gewesen, was zu seinem bewährten Kriegsglück gefehlt habe.
Die widerspenstigen Stämme Kents waren anscheinend zu der Überzeugung gelangt, es mit einem starken und mächtigen Gegner zu
tun zu haben, den man nicht ohne weiteres besiegen konnte. Deshalb versuchten sie es mit bewährter Stammesdiplomatie und schickten
Gesandte zu Caesar, die ihre Bereitschaft erklärten, Geiseln zu stellen und alle seine Forderungen zu erfüllen. Nach ihnen
trafen auch erste Häuptlinge ein, die ihre Friedensbereitschaft bekundeten. Noch bevor Caesar einwilligen konnte, wendete
wiederum ein Besonderheit der Britischen Inseln das Blatt. Ein starker Sturm und alles verschlingende Springfluten vernichteten
einen Großteil der römischen Flotte.
Die Stammeshäuptlinge schätzten die neue Situation dementsprechend ein: Caesar fehlte es an Reitern, er hatte seine Schiffe
verloren, war damit vom Festland abgeschnitten und verfügte darüber hinaus über keine ausreichenden Proviantvorräte. Deshalb
entschieden die Britannier, den Kampf wieder aufzunehmen und bis zum Winter fortzusetzen. Auf diese Weise sollten die Römer
zermürbt und schließlich vollständig besiegt werden. »Sie vertrauten fest darauf, dass in Zukunft niemand mehr nach Britannien |125| übersetzen würde, um dort Krieg zu führen, wenn das römische Heer geschlagen oder ihm der Rückweg abgeschnitten sei.«
Caesar musste in dieser prekären Situation zuallererst für das Überleben seiner Soldaten sorgen. Deshalb ließ er im Umland
Getreide von den Feldern ins Lager schaffen und befahl, alle noch einsatzfähigen Schiffe eiligst auszubessern. Auf ihnen sollte
man notfalls Britannien wieder verlassen. Zunächst kam jedoch eine eher friedliche Stimmung auf, in der die Legionäre mit
den einheimischen Bauern auf den Feldern arbeiteten und viele Britannier sogar das Römerlager besuchten.
Wie trügerisch dieser Eindruck war, bewies eine Meldung, die Caesar in aller Eile gemacht wurde: Die wachhabenden Soldaten
hatten eine ungewöhnlich große Staubwolke am Horizont gesichtet, dort wo ihre Kameraden mit der Ernte beschäftigt waren. Caesar
ritt sofort in diese Richtung und sah, wie seine Männer aufs Härteste bedrängt wurden. Britannische Krieger hatten sie aus
den nahen Wäldern überraschend mit Speeren und anderen Wurfgeschossen angegriffen und dann ihre stärkste Waffe eingesetzt
– die Reiter und die Streitwagenkämpfer. Während die gallischen Stämme sich dieser für die Kelten typischen Kampfgefährte
nicht mehr bedienten, galten sie auf den Britischen Inseln noch lange als hervorragendste Waffe der besten Krieger. Caesar
schildert ihren Furcht erregenden Einsatz, der dem Feind große Verluste zufügen konnte:
»Der Kampf von diesen Streitwagen aus verläuft folgendermaßen: Zuerst fahren die Britannier nach allen Richtungen über das
gesamte Schlachtfeld und schleudern Wurfgeschosse, wobei sie meist schon durch den Schrecken, den die Pferde verbreiten, und
den Lärm der Räder die feindlichen Reihen in Verwirrung bringen. Sobald sie in die berittenen Einheiten eingedrungen sind,
springen sie von den Wagen und kämpfen zu Fuß weiter. Währenddessen fahren die Wagenlenker etwas aus dem Kampfgebiet heraus
und stellen sich so auf, dass sie den Ihren, falls sie von einer feindlichen Übermacht bedrängt werden, eine gute Möglichkeit
bieten, sich ungehindert zu ihrem Heer zurückzuziehen. So zeigen sie im Kampf die Beweglichkeit von Reitern und die Standfestigkeit
von Fußsoldaten. Durch Gewohnheit und tägliche Übung haben sie es dabei soweit gebracht, dass die Wagenlenker sogar auf abschüssigem,
steilem Gelände die Pferde in vollem Lauf aufhalten, in
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