Die Welt in mir (German Edition)
Spaß machte.
Mittlerweile brachte Alex mir nicht nur einzelne Einheiten bei, sondern wir
absolvierten ganze Bewegungsabläufe. Wir übten sozusagen einen ganzen Kampf,
ohne dass er mir vorher sagte, welchen Schritt er machen würde. Alex hatte
gemeint, es wäre Zeit, dass wir die Sache etwas realistischer gestalten und mir
war das ganz recht.
Es verlieh mir Selbstvertrauen.
Ich war froh, dass er mir das Kämpfen beigebracht hatte. Wer wusste, für was es
einmal gut war. Selbst wenn ich es nie anwenden sollte, was ich hoffte, fühlte
ich mich stärker. Meine Muskeln schmerzten zwar immer noch und hatten sich an
das hohe Sportpensum noch nicht gewöhnt, aber der Schmerz war ein Teil von mir
geworden. Und so unsinnig es vielleicht klingen mochte, ich begrüßte ihn, weil
ich wusste, was ich geleistet hatte und wie stark ich geworden war.
Als ich nach dem Duschen auf
dem Boden neben Alex saß und mein Abendbrot aß, traute ich mich, ein paar
Fragen zu stellen. Mittlerweile war unser Verhältnis sehr entspannt und locker.
Es gab ohne Zweifel immer noch eine gewisse sexuelle Anziehung zwischen uns. Seine
Berührungen jagten mir dauernd eine Gänsehaut über den Körper, aber wir wurden
durch mehr verbunden als Leidenschaft. Er war zu einem Vertrauten geworden, der
einen Platz in meinem Herzen hatte. Zwar trieb er mich ab und an in den
Wahnsinn, und ich vergaß meine gute Erziehung, aber dies fühlte sich eher wie
eine kleine Befreiung an, als hätte er damit zumindest mein Selbstbewusstsein gestärkt.
Bis jetzt konnte ich nicht genau sagen, was ihn zum Bösen machte. Hätte ich
nicht gewusst, von welcher Seite er stammte, würde ich ihn nicht zu ihnen
zählen, sondern zu den Guten. Vielleicht zu den temperamentvollen Guten, aber
er hatte mehr als einmal bewiesen, dass er mich beschützte. Wie konnte es böse
sein, das Leben eines anderen zu schützen? Oder machte er dies vielleicht nur
aus eigenem Interesse heraus, um seine Welt nicht in den Krieg zu stürzen?
„Alex, was ist der Unterschied
zwischen den Seiten in eurer Welt?“
Er schaute mich mit
hochgezogenen Augenbrauen an. Fast so, als hätte ich die dümmste Frage der Welt
gestellt, weil die Antwort offensichtlich war. Da er offenbar nicht verstand,
was ich meinte, setzte ich noch einmal nach: „Ich meine, was macht dich zum
Bösen, und was macht Josh zum Guten?“
Der Name von Josh kam mir nur
schwer über die Lippen. Alleine seine Erwähnung versetzte mir ein Stich ins
Herz. Ich vermisste ihn schrecklich und machte mir große Sorgen, dass ihm etwas
passiert war. Allerdings hatte ich keine Zweifel daran, dass Alex mir berichtet
hätte, wenn Josh etwas zu gestoßen wäre. An diese Hoffnung klammerte ich mich
ebenso wie an die Hoffnung, ihn bald wiederzusehen.
„Der Unterschied ist, dass ich meine
Probleme mit den Fäusten löse, während Josh versucht, mit Worten Frieden zu
stiften.“
Bei dieser Antwort kam es mir
tatsächlich vor, als hätte ich eine Frage gestellt, deren Antwort
offensichtlich war. Aber darauf hatte ich nicht hinaus gewollt. Sondern darauf,
dass er mir nicht böse erschien. Er war doch auf seine Art gut. Vielleicht
hitzköpfig, aber machte ihn dies gleich böse?
„Das meine ich nicht. Du bist
vielleicht temperamentvoll und prügelst dich gerne, aber du schlägst doch nur
die, die es verdient haben. Du beschützt mich doch damit. Ist dies denn gleich
böse?“ Hoffentlich verstand er jetzt, worauf ich hinaus wollte.
„Das Böse in meiner Welt macht
aus, dass wir eben Egoisten sind und unser eigenes Wohl im Sinn haben. Wir
scheren uns wenig darum, ob wir jemanden verletzen. Und Clara, ich schlage
nicht zu, weil ich keine andere Lösung kenne, sondern weil mir diese Lösung
gefällt.“
Also beschützte er mich lediglich
aus egoistischen Gründen? Aber wieso brachte er mir dann bei, wie ich mich
verteidigen konnte? Dies war letztendlich nicht zu seinem eigenen Zweck. Oder
zeigte er es mir nur, damit er nicht mehr den Babysitter spielen musste und ich
selbst auf mich aufpassen konnte? Angst durchströmte mich. Würde Alex mich,
wenn ich gut genug war, verlassen, weil er keinen Grund mehr hatte,
hierzubleiben? War die ganze Verbindung, die ich zu ihm fühlte, nichts als
Einbildung? Das konnte und wollte ich einfach nicht glauben. Er bedeutete mir
so viel mehr, als irgendein Bodyguard, der austauschbar gewesen wäre. Ich
brauchte ihn − und dies, ob ich kämpfen konnte oder nicht.
„Also bist du nur aus
egoistischen Gründen mit mir
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