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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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Was bitte ist so schlimm daran? Davon leben ganze Miss-Wet-T-Shirt-Contests? Bevor ich die damit verbundenen Bilder vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen konnte, dozierte die Sporthexe weiter.
    »Das kann zu einer Unterkühlung führen, die dann zu einer Erkältung und – wenn man Pech hat – zum Tod.«
    Okay, das mit dem Tod hatte sie nicht gesagt. Sie sagte: »… zu einer Lungenentzündung«, was auch schon schlimm war, aber der Hypochonder in mir dachte natürlich konsequent zu Ende.

    Irgendwann war es schließlich so weit: Wir hatten die Laufstrecke erreicht, und Susi lief sofort los. Ich brauchte eine Weile, um zu kapieren, dass sie mich nicht allein im Wald zurücklassen wollte, sondern erwartete, dass ich ihr folgte. Das tat ich dann auch, und nach fünf Minuten holte ich sie ein. Unter anderem, weil sie zwischendurch 50 Liegestütze machte. Inzwischen tropfte es aus meiner Baumwollkleidung auf den trockenen Waldboden, und ich hinterließ eine respektable Schweißspur. Sollte ich jemals aus einem Gefängnis ausbrechen wollen, die Spürhunde hätten einfaches Spiel mit mir.
    »John«, sagte die drahtige Sau, äh, Frau, neben beziehungsweise vor mir, »du musst dir unbedingt richtige Sportklamotten zulegen und dazu Unterwäsche aus Merinowolle.«
    Ich nickte zustimmend, wusste aber gar nicht, worüber Martina Navratilova redete. Aber eigentlich nickte ich auch gar nicht. Mein Kopf wackelte einfach unkontrolliert hin und her und hoch und runter. Muss wohl am unebenen Boden gelegen haben. Mein heftiges Nicken interpretierte MISS FIT auf jeden Fall falsch, betrachtete es als Aufforderung, mir noch mehr Wolliges zu erzählen.
    »John, du brauchst leichte, atmungsaktive Klamotten, und wenn du es ernst meinst mit deiner Gesundheit, dann musst du auch bereit sein, ein bisschen mehr Geld zu investieren.«
    Das ist mir nicht fremd. Also, das mit dem »mehr Geld für die Gesundheit investieren«. Alles, was über ein ärztliches »Guten Tag, wie geht’s Ihnen heute?« hinausgeht, kostet Geld. Eigentlich arbeite ich nur noch für meine Gesundheit oder besser: gegen meine Leiden. Meine Bandscheiben sind meine ganz persönliche Immobilienblase: Ich stecke unendlich viel Geld rein, und am Ende ist es nichts wert.

    In der Zwischenzeit wurde weitergelaufen. Aus respektvollem Abstand von circa zehn Metern konnte ich sehen, dass Susi nicht »wie eine Sau schwitzte«. Eigentlich schwitzte sie überhaupt nicht. Lag es an ihrer Wollunterhose? Oder daran, dass in ihrem Körper kein Platz mehr für Wasser war, welches sie ausschwitzen könnte? Susi ahnte nicht, was ich dachte, sie war immer noch im Merino-Modus.
    »Also, John, ich empfehle dir das Drei-Lagen-Zwiebelsystem. Unten Merinowolle. Darüber eine Softshell-Jacke und oben drüber eine Hardshell-Jacke.« Das mit dem »Shell« hatte ich noch gar nicht richtig mitbekommen, ich war immer noch bei Merino.
    »Was ist das Besondere an Marinowolle?« Susi verbessert mich.
    »
Merino,
John,
Merino!
Die Wolle der Merinoschafe ist eine ganz spezielle Wolle. Sie hat kurze und leichte Fasern, die im Sommer hitzeabweisend wirken und im Winter kälteabweisend.«
    Aha. Merino also.
    Schaf. Ich mag Schafe. Und es stimmt: Ich hab noch nie schwitzende oder frierende Schafe gesehen, da muss also was dran sein.

    Auf ins Sportfachgeschäft, Merinowolle kaufen. Direkt nach dem Jogging mit Susi. Also fast direkt. Zwei Tage später, nachdem ich wieder gehen konnte.
    Ich liebe Sportfachgeschäfte. Kaum betritt man so ein FACH -Geschäft, kommt auch schon ein gesund aussehender Verkäufer auf einen zu und fragt Dinge, die man definitiv nicht weiß. Hier war es genauso. Der Verkäufer taxierte mich, sah einen großen, beleibten, offensichtlich schwer unsportlichen Kunden, und nach der obligatorischen Eingangsfrage: »Kann ich Ihnen weiterhelfen?«, war er auch schon in seinem Element. Er wusste, wie man Kunden erst verunsichert: »Brauchen Sie eine leichte Jacke? Wir haben Hardshell, Softshell, Aktivshell und Windstopper!«, um mich dann wieder zu beruhigen: »Kein Problem, ich erkläre es Ihnen. Man kann ja nicht erwarten, dass jeder alles kennt, aber dafür bin ich ja da. Fangen wir ganz von vorne an: Wasserdicht, winddicht, wasserabweisend, windabweisend?«
    »Ich suche mehr so etwas Schweißabweisendes, und am besten auch geruchsneutralisierend, weil ich auch immer stinke wie ein altes Schwein.«
    Er lachte, drehte sich aber kurz von mir weg. Ich hörte, wie er eine Duftprobe, ein

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