Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Kollege braucht einen neuen Turbolader, um den 911 er von 500 auf 600 PS aufzublasen, und dann natürlich auch ein neues Soundsystem, weil … bei 600 PS hörste ja sonst nix mehr!«
»Ach ja, und Rainers Segelyacht bezahlt sich auch nicht von selbst.«
Genau so bin ich an meinen neuen Kieferorthopäden gekommen.
Angefangen hat es mit den üblichen Nackenschmerzen und mit Vladimir, meinem Lieblingsorthopäden, dem »Full-Body-Facharzt« meines Vertrauens. Vladimir schaute wie immer die Bandscheiben durch, landete dann automatisch beim Nacken und entdeckte offenbar erstmalig, dass sowohl Rücken und Nacken von Haut bedeckt sind. Fünf Minuten lang beschäftigte sich der Orthopäde nun mit etwas, was ihn eigentlich nichts anging: »Oh, oh, John, deine Pickel sehen nicht gut aus. Gar nicht gut.« Recht hat er, der Vladimir. Pickel sehen meistens nicht besonders gut aus. Deshalb heißen sie ja auch Pickel und nicht Muskeln. Und deswegen sagen die Mädchen in der Schule auch: » IGITT !«, wenn sie Pickel sehen und nicht etwa: »Oh, ein eitriger Pickel, darf ich den mal anfassen?«
Um es kurz zu machen: Vladimir empfahl mir dringend, einen Hautarzt aufzusuchen, weil die Ursachen für meine Nackenschmerzen unter Umständen in meiner Haut verborgen sein könnten. Wenn Vladimir so etwas so dringend empfiehlt, folge ich natürlich seinem Rat und gehe zum Hautarzt. Der ist übrigens ein Kumpel von meinem Orthopäden, und ich richtete ihm auch gleich liebe Grüße vom Vladimir aus.
Der Hautarzt tat ganz überrascht, erwiderte den Gruß und sagte noch, dass er den Vladimir ja wirklich lange nicht mehr gesehen hätte.
Zu meinen Pickeln hatte er keine besondere Meinung, außer, dass meine Haut sehr angespannt wäre. Überhaupt würde ich einen verspannten Eindruck machen, und die Haut trüge ja nur nach außen, was innen so vor sich ginge. Für das »Innen« empfahl er mir einen Internisten, der sich seit kurzem, aber intensiv, mit Akupunktur beschäftigte. Zufällig war der »Markus« ein guter Kumpel von ihm, da war er sich ganz sicher, was die Qualität der Behandlung anging.
Tage später war ich bei Markus, dem Internisten mit Zusatzqualifikation in »Nadeln-in-die-Haut-Pieksen«. Ich lag auf einem Behandlungstisch in einem Zimmer, das mich schwer an einen nordvietnamesischen Folterkeller aus Rambo II ( III oder IV ?) erinnerte. Dann stach Markus in alle nur erdenklichen Körperteile: Zwischen die Zehen, zwischen die Finger, zwischen die Augen. Überall, wo er ein freies Stückchen Haut fand – und davon habe ich reichlich – piekste er zu. Und während ich so dalag und geduldig die Folter ertrug, knackste plötzlich mein Kiefer. Ich wusste nicht, warum. Vielleicht wollte ich Markus unbewusst in den Nacken beißen, auf jeden Fall knackste es laut. »Falls Sie möchten, Herr Doyle: Ich kann Ihnen einen guten Kieferorthopäden empfehlen.«
»Wösö?«, fragte ich mit zusammengekniffenem Mund, aus Angst, er könnte auf die Idee kommen, auch da zuzustechen.
»Na, wegen der Knackgeräusche. Ihr Kiefer knackt, wenn Sie mit mir reden. Das sollte sich mal ein Spezialist anschauen.«
Ich traute mich nicht, ihm zu sagen, dass ich den Kiefer nur zusammenkniff, um ihn nicht mit einem finalen Biss in den Ärztehimmel zu befördern. Stattdessen nahm ich seinen Rat an und vereinbarte einen Termin beim empfohlenen Kieferorthopäden.
Eine Woche später saß beziehungsweise lag ich in dessen Behandlungsstuhl und konnte es mir nicht verkneifen, ihn von seinem Kollegen zu grüßen.
»Ach ja, ich soll Ihnen noch viele Grüße von den
anderen Jungs
vom 911 er-Club bestellen, von Vladimir, Rainer und Markus.« Das mit dem 911 er-Club war eigentlich ein Witz, aber der Kieferorthopäde, Alexander hieß er übrigens, sagte nur: »Ach, bei denen waren Sie auch schon? Na, dann grüßen Sie
die Jungs
mal zurück!«
Dann ging es los. Zuerst die Kennenlernphase, sozusagen das Speed-Dating zwischen Arzt und Patienten.
»So, Herr Doyle, Sie knirschen also mit den Zähnen. Auch im Schlaf?«
»Weiß nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dann schlafe.«
»Ah, verstehe. Und was sagt Ihre Frau dazu?«
»Nichts. Die pennt auch.«
»Ah so. Was halten Sie von einer Beißschiene, Herr Doyle?«
»Hm … keine Ahnung. Habe mir, ehrlich gesagt, noch keine Gedanken darüber gemacht.«
Das war das Vorgeplänkel, nun untersuchte er Mund und Kiefer und demonstrierte, was er im Medizinstudium alles gelernt hatte.
»Es könnte sein, Herr Doyle, dass
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