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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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man sich auf so viele Dinge im Verkehr konzentrieren muss, bleibt keine Zeit, um über Probleme nachzudenken. Das ist herrlich! Völlig asoziale Autofahrer lenken mich von meinen Problemen ab! Dafür, liebe motorisierte RTL 2 -Zuschauer, habt Dank!
    Und ich danke auch meinen Mit-Radfahrern: Eure nervige Klingelei, immer von hinten und immer eine Nano-Sekunde, bevor ihr an mir vorbeizieht, nervt zwar tierisch, erinnert mich aber auch daran, dass nicht nur Autofahrer Arschlöcher sind. Danke!
    Und die vielen Rentner und Mütter mit Kinderwagen, die meinen Weg kreuzen, ohne überhaupt auf mich zu achten – auch ihnen gilt mein Dank, dass sie mich mit ihrem schwachsinnigen Verkehrsverhalten immer wieder in die Gegenwart befördern und mir zeigen, dass Vergangenes und Zukünftiges nicht zählt. Das Radfahren ist nicht nur gut für mein körperliches Wohlbefinden, es ist auch eine Rehabilitation für meine Birne.
    Und wir wissen doch alle: Ist der Kopf gesund, freut sich der Rücken.
    Oder so ähnlich.

Steinzeit
    Hab ich schon meinen Rentnerkumpel Heinz erwähnt? Ganz bestimmt, schließlich ist Heinz mein kostenloser Gesundheitsratgeber. Einmal pro Woche gibt er mir einen zumindest sensationellen Gesundheitstipp. Letzte Woche ging es um die beste Strategie zur Vermeidung eines Hirnschlags. Wenn man 30 Jahre jung ist, denkt man vielleicht: Warum soll ich mir über einen Hirnschlag das Hirn zerbrechen? Warum? Ich bin noch jung, knackig und mein Hirn ist erst am Anfang einer Entwicklung, die ganz sicher mit dem Nobelpreis endet!
    Mit Anfang 40 denkt man schon etwas konkreter darüber nach. Mit Ende 40 , einer Altersstufe, der ich mich unaufhaltsam nähere, hört man gespannt zu, wenn jemand sehr altes und sehr weises Wissenswertes über einen Hirnschlag mitzuteilen hat. Und was mein Rentnerkumpel Heinz gesundheitstechnisch referiert, ist immer von Belang.
    »Das Wichtigste ist, Jooon, du darfst nicht verkalken. Achte immer drauf, nicht zu verkalken, Jooon!«
    »Heinz, ich heiße nicht ›Jooon‹. Ich heiße John.«
    »Tut mir leid, vergesse ich immer. Aber wie gesagt, Jooon, nicht verkalken. Geistig immer fit bleiben und körperlich nicht zu viel Fette und Kohlehydrate spachteln. Das ist das Wichtigste, Jooon.« Das war der Gesundheitstipp von letzter Woche. Vor ein paar Monaten war das Thema Steinzeit dran.
    »Jooon, du musst zurück in die Steinzeit!«, begann Heinz sein Referat, »wenn du richtig gesund leben willst, wie ein richtiger Mensch eben, dann musst du im wahrsten Sinne des Wortes
in Richtung Steinzeit
laufen.«
    Erst dachte ich, er macht einen Witz und meint Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern.
    (Obwohl, das kann ich nur empfehlen. Ich war gerade ein paar Tage oben an der Ost-Ostseeküste. Phantastisch. Morgens beim Bäcker eine 30 Meter lange Schlange. Eine einzige Bäckereifachverkäuferin versuchte, dem Ansturm urlaubender Sachsen Herrin zu werden. Ihre Kollegin stand währenddessen in der Küche und schmierte Brötchen. Sie hatte schon sechs Bleche à 20 geschmierter Brötchen fertig und hörte trotzdem nicht auf. Vermutlich war der »Geschmierte-Brötchen-Plan« noch nicht erfüllt, sicher musste sie noch 200 schmieren, und – scheiß was drauf, wie viele Sachsen anstehen – sie schmierte weiter. Und die Leute in der Schlange? Sagten nix. Kein Wort. Meine Frau, gebürtige Ostdeutsche, war schwer begeistert.
    »Guck mal, John, wie früher!«
    »Ja bekloppt, ne? Fast ein Vierteljahrhundert später, und sie stehen immer noch an!«
    »Wieso«, erwiderte meine Ostbraut, »ich finde das toll, wie geduldig die hier sind. In Köln hätten schon mindestens zwei Leute ’nen Tobsuchtsanfall gekriegt.«
    Ich schwieg und unterdrückte
meinen
Tobsuchtsanfall. Abends wollten wir dann in eine Pizzeria. Vor dem Restaurant stand ein Grüppchen Leute. Ich ging an ihnen vorbei, um mich auf der großzügigen Außenanlage nach einem freien Tisch umzusehen. Drei Meter weit kam ich, dann wurde ich von einer Kellnerin zurückgepfiffen.
    »Hey! Sie da! Hier wird sich hinten angestellt!«
    Tatsächlich! Erst jetzt sah ich, dass das Grüppchen am Eingang eine Warteschlange war. Hier suchte man sich keinen Platz, hier wurde einem der Platz zugewiesen. Wie daheim in den USA – die ich genau aus diesem Grund verlassen hab.
    Meine Frau, die sich ihren angeborenen Instinkten folgend direkt hinten angestellt hatte, war noch begeisterter als am Morgen beim Anblick der Bäckerei-Schlange. Sie holte sofort ihr Handy raus und rief ihre

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