Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
belegst du einen Kurs in Zoologie. Deshalb war ich ebenso überrascht wie glücklich, als mir Svetlana, wie gesagt, die Arzthelferin vom Orthopäden Vladimir, von einer Alternative berichtete, von Hot Yoga!
Ich war wieder einmal zum Nacken-Röntgen in Vladimirs orthopädischer Praxis und schilderte Svetlana meine tierischen Yoga-Erfahrungen:
»Mr. Doyle, das hätte ich Ihnen gleich sagen können«, zwitscherte Svetlana, »normales Yoga ist nichts für Sie. Sie müssen Hot Yoga machen. Das bringt wenigstens was.«
»Hot Yoga?«, zwitscherte ich zurück, »was ist denn da der Unterschied zu normalem Yoga?«
»Das muss man erlebt haben, ist schwer zu beschreiben. Wissen Sie was? Ich gehe heute Abend sowieso hin. Kommen Sie doch einfach mit.«
Es passiert mir eher selten, dass junge Frauen mich zu etwas einladen, also warum nicht? Svetlana war aber nicht nur jung, sondern auch sexy und obendrein freundlich. Drei gute Gründe, um zum Hot Yoga zu gehen. Obwohl? Für meine Frau wären das drei gute Gründe, um nicht zum Hot Yoga zu gehen. Aber ich hatte mich entschieden, denn meine Gesundheit war mir wichtig. Ich musste es nur meiner Frau irgendwie vermitteln. Also schonend beibringen, oder am besten gar nicht erzählen und lieber eine schlechte Ausrede erfinden.
Am Ende musste ich gar nichts erzählen, denn als ich nach Hause kam, war meine Frau nicht da. Nur der Pubertierende lungerte vor dem Fernseher rum. Eher gelangweilt schaute er mir zu, wie ich meine Sporttasche packte: »Hey, alter Mann, wo gehst du hin?«
»Ich gehe jetzt mit der schönen Svetlana zum Hot Yoga – und du nicht!«
Es ist wichtig, mit pubertierenden Menschen stets ehrlich umzugehen.
Nun also Hot Yoga: In meiner Vorstellung geisterten spärlich bekleidete, heiße und in der Mehrzahl weibliche Menschen um mich herum, die bei intensivem Körperkontakt irgendetwas schrecklich Gesundes tun und dabei ins Schwitzen kommen.
Spärlich bekleidet und schwitzend stimmte.
Das mit dem Schwitzen begann schon beim Betreten des Raumes. Obwohl draußen frühlingshafte Temperaturen herrschten, bullerten drinnen die Heizkörper. Hot Yoga heißt nichts anderes als Yoga bei 39 Grad Raumtemperatur!
Entsprechend spärlich bekleidet waren auch die Kursteilnehmer. Sie sahen aus wie die aus dem herkömmlichen Yoga-Kurs, nur mit verschwitzten T-Shirts und verschwitzen Stretch-Hosen. Man betritt den Raum mit 100 Kilo – man verlässt den Raum, und man wiegt nur noch 80 . Es schwappte verdammt viel Körperflüssigkeit herum. Überall auf dem Boden hatten sich kleine Schweißlachen gebildet, und ich hüpfte durch den Raum wie eine Gazelle, um nicht in die Ausdünstungen meiner Mitschwitzer zu treten.
Apropos Gazelle: Natürlich ging es auch beim Hot Yoga um Tiere. Wir »gingen in die Kobra, ins Krokodil und in die Heuschrecke«. Bei letzterem Tier legten sich alle auf den Boden und wedelten wie blöd mit Armen und Beinen. Wie das Heuschrecken eben so den lieben langen Tag lang machen. Oder Kakerlaken. Auf jeden Fall wirkte die Ansammlung schwitzender, menschlicher Küchenschaben sehr realistisch. Ich rechnete fest damit, dass irgendwann ein Kammerjäger die Tür aufreißen und uns der Reihe nach zu Tode treten würde.
Vor dem Kakerlaken-Haufen stand die Hot-Yoga-Meisterin, und weil das ganze »hot« war, schrie sie nicht einfach durch den Raum, sie schrie vielmehr in ein Headset. Ihre schrille Stimme wurde durch vier Mega-Lautsprecher noch einmal um 1000 Watt verstärkt.
»Ihr müsst atmen. Vergesst nicht zu atmen. Immer atmen!«
Falls jemand vergessen haben sollte, wie Atmen funktioniert, machte sie es uns einfach vor: Sie zog stoßweise und heftig Luft ein. Immer in kurzen Zügen.
»So merkt ihr gar nicht, wie ihr zwischendurch ausatmet«, schrie sie uns an. Tatsächlich vergaßen einige Kursteilnehmer offenbar das Ausatmen und begannen zu hyperventilieren. Das aber fiel kaum auf, weil ihre Atem- und Körperkrämpfe denen einer hilflos auf dem Rücken strampelnden Kakerlake sehr ähnelten.
»Weiteratmen! Weiteratmen!«, schrie die Königin aller Küchenschaben, »und schön schwitzen«, ergänzte sie noch. Eine überflüssige Anweisung, denn der Boden sah ohnehin aus, als hätte es einen mittelschweren Wasserrohrbruch gegeben.
Zum Glück war die Kakerlaken-Übung bald vorbei, nun war der Adler dran: Man steht auf beiden Beinen und versucht, ein Bein um das andere Bein zu wickeln und verschränkt dabei den linken Arm mit dem rechten. Ich war einigermaßen
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