Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Warum, bitte, sollte ich das tun? Im Normalfall bin ich schon froh, wenn ich mit beiden Füßen auf dem Boden stehen kann.
Im Yoga-Raum aber herrschte Konsens: »Ja, wir wollen, dass unsere Körperteile an ganz andere Stellen geschoben und hingebogen werden. Ja, wir wollen unsere Füße über den Kopf wickeln, wir wollen mit dem linken Fuß das rechte Ohrläppchen streicheln.«
Die anderen Yogis fragten nicht nach dem »Warum«, sie taten es einfach, und die Yoga-Inquisitorin war glücklich: »Sehr gut, sehr gut, aber vergessen Sie nicht zu atmen. Sehr gut.«
Während ich gerade versuchte, mit dem großen Zeh des linken Fußes mein rechtes Ohr zu reinigen, stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn hier jemand wirklich das Atmen vergessen würde. Was stände am nächsten Tag in der BILD ? »Tod durch Yoga!« »Erstickt als Flamingo!«
Aber das war nur die erste Tierposition! Nach dem Flamingo kam die Schlange: auf dem Boden winden wie im Diarrhoe-Krampf. Und schließlich der Hund: auf allen vieren hocken und immer wieder ein Bein heben. Ich versuchte es. Anstrengende Sache, insbesondere, wenn kein Baum in der Nähe ist. Weil ich ein Muster-Yoga-Schüler bin, schnupperte ich noch kurz am Hinterteil meiner Nachbarin zur Linken, was Esther allerdings mit einem todverheißenden Blick quittierte.
Ich fragte mich, warum es immer so anstrengende Tiere sein mussten. Warum ahmen wir nicht das »Walross« nach? Beim Walross wäre ich ein Vorzeige-Yogi:
»So, meine Lieben, jetzt gehen wir alle ins Walross: Wir legen uns auf den Bauch, schnaufen einmal kurz durch und machen ein kleines Nickerchen.«
Niemand könnte mir beim »Walross« das Wasser reichen. Niemand. Leider gingen wir nicht ins Walross, Sonja-Esther wollte, dass wir noch einmal »in den Hund gehen« und dabei abwechselnd das linke und das rechte Beinchen heben. Eigentlich war das der Moment, in dem ich einmal hätte knurren, dann aufstehen und gehen sollen. Tat ich aber nicht, »ich ging in den Hund«. Und wieder fragte ich mich: Warum? Warum gehe ich in den Hund, wozu ist das gut? Esther, die professionelle Tierquälerin, konnte auch Gedanken lesen: »Der Hund ist ein guter Ersatz für den Kopfstand.«
Aha! Verstanden. »Ein guter Ersatz für den Kopfstand.« Alles klar. Nur: Wer braucht einen »Ersatz für den Kopfstand«? Ich nicht, auf jeden Fall eher selten. Weil aber alle brav in den Hund gingen, folgte ich folgsam. Und weil ich ein guter Wachhund bin, bellte ich sogar noch.
»Sie brauchen nicht zu bellen! Es reicht, wenn Sie die Stellung richtig umsetzen«, klärte Esther mich auf.
»Ich belle gar nicht«, log ich, »ich hechle. Wie ein Hund eben.«
Nach 45 Minuten war die Tierschau vorbei. Esther hatte uns schon vorgewarnt, dass beim nächsten Mal der klassische Frosch im Mittelpunkt der Übungen stehen würde.
»Können wir nicht mal etwas ohne Tiere machen?«, fragte ich, aber Esther lachte nur. Wieder zu Hause fragte mich meine Frau, wie es gewesen wäre.
»Gut war es. Ich war Flamingo, Schlange und Hund.«
»Und – war es schwer?«
»Das Dehnen ein bisschen. Das Bellen war kein Problem.«
Ich wusste noch nicht, ob ich zum Frosch auch noch hingehen würde. Vielleicht wechsele ich auch den Yoga-Kurs. Vielleicht gehe ich auch zum »Hot Yoga« – eine Empfehlung von Svetlana, der Assistentin meines Lieblingsorthopäden Vladimir. »Hot Yoga« hört sich nicht nach Tierstellungen an, und falls es doch welche geben sollte, dann sind es bestimmt schmutzige Tiere.
Karnickel oder so …
Hot Yoga
Keine Frage, ich mag Tiere. Schon immer. Besonders Tiere mit dickem, weichem Fell. In Amerika hatten wir Bären. Also nicht nur im Zoo. Ich brauchte nur ein paar hundert Meilen fahren, dann konnte ich die Bären in freier Wildbahn abschießen. Quatsch, ich hab noch nie in meinem Leben einen Bären abgeschossen. Ich weiß gar nicht, wie so ein Bär schmeckt. Außerdem, wie gesagt, mag ich Tiere mit viel Puschelfell. Ich mag aber auch halbe Hähnchen. Trotzdem käme ich nie auf die Idee »in ein halbes Hähnchen zu gehen«. Das zum Thema »Yoga« und den ganzen schönen Tierübungen.
Während des »Yoga-Kurses für Anfänger« musste ich übrigens auch noch in die Schildkröte gehen. Ich ging also in die Schildkröte, so wie ich mir eine Schildkröte vorstelle, die gerade ein Nickerchen macht, da rief Esther schon: »Nein, John, das ist keine Schildkröte, das ist ein Fisch.«
Scheiße, du denkst, du tust was für deinen Rücken, und in Wahrheit
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