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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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jeweils neuesten Entwicklungstand immer ein Stückchen voraus zu sein – wie die Katze, die versucht sich in den Schwanz zu beißen, dabei aber bestimmt mehr Spaß hat.
    Selbst wenn es den Transhumanisten eines Tages gelingen sollte, sich in synthetische Schaltkreise herunterzuladen, dürfte bis dahin noch einige Zeit vergehen. Für uns andere, die wir so sentimental an unserer kohlenstoffbasierten Beschaffenheit hängen, wäre die Vision einer Welt, in der sich Flora und Fauna nach unserem freiwilligen Aussterben wieder frei entfalten können, zunächst zwar sehr beglückend. Unmittelbar darauf folgte jedoch die schmerzliche Trauer über den Verlust der wunderbarsten aller menschlichen Schöpfungen: Gäbe es keine Kinder mehr, was bliebe dann von uns? Was von unserem Geist und Verstand wäre wirklich unsterblich?
     

18    Sternenstaub
     
    1977 fragte der Astrophysiker Carl Sagan den kanadischen Maler und Radioproduzenten Jon Lomberg, wie ein Künstler das Wesen menschlicher Identität einem Publikum vermitteln würde, das noch nie Menschen gesehen habe. Zusammen mit Frank Drake, seinem Kollegen von der Cornell University, hatte er gerade die NASA aufgefordert, eine aussagekräftige Botschaft über die Menschheit zu entwerfen, um sie den beiden Voyager-Sonden mit auf den Weg zu geben, welche die äußeren Planeten besuchen und dann durch den interplanetarischen Raum fliegen sollten, möglicherweise ewig.
    Sagan und Drake waren bereits an einem anderen Projekt beteiligt gewesen, bei dem zwei Raumsonden das Sonnensystem hinter sich lassen sollten. Pioneer 10 und Pioneer 11 wurden 1972 beziehungsweise 1973 ins All geschossen, um festzustellen, ob der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter von Raumfahrzeugen überwunden werden kann und um Jupiter und Saturn zu untersuchen. Pioneer 10 überstand 1973 eine dramatische Begegnung mit radioaktiven Ionen in Jupiters Magnetfeld, sendete Bilder der Jupitermonde nach Hause und setzte seine Reise fort. Seine letzte vernehmbare Nachricht traf 2003 ein; damals war er fast dreizehn Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. In zwei Millionen Jahren müsste er den Roten Riesen Aldebaran, das Auge im Sternbild Stier, in sicherer Entfernung passieren. Pioneer 11 umkreiste Jupiter ein Jahr nach seinem Bruder und schleuderte sich dann unter Ausnutzung der Gravitation des Planeten 1979 über Saturn hinaus. Seine Bahn zeigte in Richtung des Sternbild Schütze; vier Millionen Jahre lang wird die Sonde keinem einzigen Stern begegnen.
    An den Rumpf beider Pioneer-Sonden sind vergoldete Aluminiumplatten – je 15 x 23 cm – genietet, auf denen sich Strichätzungen von Sagans damaliger Frau Linda Salzman befinden. Sie zeigen ein nacktes Menschenpaar, die Position der Erde im Sonnensystem und die Stellung der Sonne in der Milchstraße werden grafisch dargestellt, dazu die kosmische Entsprechung einer Telefonnummer: eine mathematische Formel, die auf dem Übergangszustand des Wasserstoffs beruht und die angeben soll, auf welcher Wellenlänge unsere Empfänger ins All lauschen.
    Die Botschaften in den Voyager-Sonden sollten nun, so erklärte Sagan Jon Lomberg, sehr viel mehr Einzelheiten über uns enthalten. Da es noch keine digitalen Medien gab, hatte Drake ein Verfahren entwickelt, um auf einer vergoldeten Kupferplatte Laute und Bilder analog aufzuzeichnen. Hinzufügen wollte man einen Tonabnehmer und, wie man hoffte, verständliche Abbildungen, die erklärten, wie man den Datenträger abspielen sollte. Sagan bat Lomberg, einen Schaukasten zu entwerfen, der, selbst ein Kunstwerk, die wahrscheinlich letzten Relikte des ästhetischen Ausdrucks der Menschheit enthalten sollte. Einmal im All, wäre der vergoldete Aluminiumkasten mit den Aufzeichnungen der Erosion durch kosmische Strahlen und Staubpartikel ausgesetzt. Nach vorsichtigen Schätzungen bliebe der Kasten mindestens eine Milliarde Jahre lang, vermutlich aber viel länger intakt. Bis zu der Zeit könnten tektonische Verwerfungen oder eine aufgeblähte Sonne unsere letzten Relikte längst in ihre molekularen Bestandteile zerlegt haben. So wird die Botschaft in der Raumkapsel vielleicht die Hinterlassenschaft der Menschen sein, die der Ewigkeit am nächsten kommt.
    Um das Problem bis zum Start der Sonde zu lösen, blieben Lomberg nur sechs Wochen. Seine Kollegen und er befragten Experten in aller Welt, Semiotiker, Denker, Künstler und Science-Fiction-Autoren nach Darstellungsweisen, die für Adressaten, von denen man keine

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