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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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südchilenischen Monte Verde gruben, vertreten die Auffassung, dort hätten zweimal Menschen gesiedelt: einmal tausend Jahre vor Clovis, das andere Mal vor 30000 Jahren. In diesem Fall wäre davon auszugehen, dass es zu dieser Zeit keine Landverbindung über die Beringstraße gegeben hat, dass die Menschen also irgendwie über das Meer nach Amerika gelangt sein müssten. Sogar der Atlantik wurde ins Gespräch gebracht, und zwar von Archäologen, die der Meinung sind, die Clovis-Technik zur Bearbeitung von Hornstein ähnele altsteinzeitlichen Verfahren, die 10000 Jahre früher in Frankreich und Spanien entwickelt wurden.
    Einwände gegen die Gültigkeit der Radiokarbondatierungen von Monte Verde ließen schon bald Zweifel an der ursprünglichen These aufkommen, die Funde dort seien ein Beweis für eine weit frühere Anwesenheit von Menschen in Amerika. Zusätzlich erschwert wurde die Lösung des Problems dadurch, dass das Torfmoor, das die Pfosten, Pfähle, Speerspitzen und verflochtenen Gräser von Monte Verde konserviert hatte, von Bulldozern eingeebnet wurde, bevor andere Archäologen die Grabungsstelle untersuchen konnten.
    Selbst wenn es frühen Menschen irgendwie gelungen wäre, vor der Clovis-Kultur nach Chile zu gelangen, wäre ihr Einfluss, so hält Paul Martin dagegen, kurz, örtlich begrenzt und ökologisch vernachlässigbar geblieben, ähnlich dem der Wikinger, die lange vor Kolumbus vorübergehend Neufundland besiedelt hätten. »Wo sind die ganzen Werkzeuge, andere Gegenstände und Höhlenmalereien, die ihre Zeitgenossen überall in Europa hinterlassen haben? Prä-Clovis-Amerikaner wären im Gegensatz zu den Wikingern auf keine konkurrierenden menschlichen Kulturen gestoßen. Nur auf Tiere. Warum also haben sie sich nicht verbreitet?«
    Der zweite, stichhaltigere Einwand gegen Martins Blitzkriegtheorie, die jahrelang als die plausibelste Erklärung für das Schicksal der Großsäuger in der Neuen Welt galt, geht von der Frage aus, wie es einige nomadische Horden von Jägern und Sammlern fertiggebracht haben sollen, zehn Millionen große Säugetiere zu vernichten. Vierzehn Fundstätten mit den Knochen erlegter Großsäuger auf einem ganzen Kontinent lassen sich kaum zu einer solchen Massenausrottung hochrechnen.
    Fast fünfzig Jahre später ist die Debatte, die Paul Martin auslöste, noch immer eine der hitzigsten Kontroversen der gelehrten Welt. Ganze wissenschaftliche Karrieren gründeten sich auf die Beweise und Widerlegungen seiner Schlussfolgerungen, die einem langen Streit zwischen Archäologen, Geologen, Paläontologen, Dendro- und Radiochronologen, Paläoökologen und Biologen immer wieder neue Nahrung gaben.
    Die wichtigsten Alternativen zu Martins »Over-Kill-Theorie« machen entweder Klimaveränderungen oder Krankheiten für das Massensterben verantwortlich und wurden daher naheliegenderweise als »Over-Chill« – beziehungsweise »Over-Ill-Theorie« bezeichnet. Over-Chill (Über-Kälte), die Theorie mit den meisten Anhängern, ist eine teilweise irreführende Bezeichnung, weil nicht nur zu große Kälte, sondern auch zu große Wärme als Auslöser herangezogen wurde. So besagt eine Theorie, ein plötzlicher Temperatursturz am Ende des Pleistozäns, als die Gletscher bereits schmolzen, habe die Erde kurzzeitig in die Eiszeit zurückgeworfen und Millionen schutzloser Tiere im wahrsten Sinne des Wortes »kalt erwischt«. Andere Forscher vertreten die umgekehrte Variante: Die steigenden Temperaturen des Holozäns hätten die Pelztiere, die sich in Tausenden von Jahren den frostigen Verhältnissen angepasst hatten, zum Untergang verurteilt.
    Die Over-Ill-Theorie behauptet, die nach Amerika gelangten Menschen – oder die Tiere, die sie begleiteten – hätten Krankheitserreger mitgebracht, mit denen kein in Nordoder Südamerika lebendes Geschöpf je zu tun bekommen hätte. Diese Theorie wird man eines Tages vielleicht beweisen können, wenn man das Gewebe jener Mammute untersuchen kann, auf die man beim weiteren Abschmelzen der Gletscher vermutlich stoßen wird. Die Over-Ill-Theorie kann sich auf einen grausigen Präzedenzfall berufen: Die meisten Nachkommen der ersten Amerikaner – wo immer sie auch herstammten – erlitten in den ersten hundert Jahren nach dem ersten Kontakt mit Europäern einen elenden Tod. Nur ein winziger Bruchteil derer, die ihr Leben verloren, büßte es durch spanische Waffen ein, die große Mehrheit erlag den Krankheitserregern der alten Welt, gegen die sie keine

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