Die Welt ohne uns
ebenso vielen Jahrhunderten, wobei sich die Zahl seiner Zimmer stetig erhöhte, bis dort im Jahr 1814 John Bennet Lawes geboren wurde.
Lawes besuchte Eton, ging dann nach Oxford, wo er Geologie und Chemie studierte, ließ sich üppige Koteletten wachsen, machte aber nie einen Abschluss. Stattdessen kehrte er nach Rothamsted zurück, um etwas aus dem Gut zu machen, das sein Vater hatte verkommen lassen. Was er tat, veränderte die Praxis der Landwirtschaft und große Teile der Erdoberfläche. Welche Dauer diesen Veränderungen selbst nach unserem Verschwinden beschieden sein wird, ist Gegenstand heftiger Debatten zwischen den Vertretern der Agrarindustrie und Umweltschützern. Doch mit bemerkenswerter Voraussicht hat uns John Bennet Lawes selbst viele Anhaltspunkte dafür hinterlassen.
Seine Geschichte beginnt mit Knochen – obwohl manch einer behaupten würde, dass zuerst die Kreide kam. Jahrhundertelang hatten die Bauern in Hertfordshire die kalkhaltigen Überreste urzeitlicher Meere stiere ausgegraben, die sie unter dem heimischen Lehmboden fanden, um sie auf ihren Äckern auszustreuen, weil sie dem Gedeihen ihrer Rüben und Getreidepflanzen förderlich waren. Aus den Vorlesungen in Oxford wusste Lawes, dass das Düngen mit Kalk nicht die Pflanzen nährte, sondern nur den Säuregehalt des Bodens verminderte. Gab es also etwas, was die Pflanzen selbst mit Nahrung versorgen konnte?
Der deutsche Chemiker Justus Liebig hatte kurz zuvor darauf hingewiesen, dass Knochenmehl erschöpften Böden neue Kraft gab; durch vorheriges Einweichen in verdünnter Schwefelsäure werde es für die Pflanzen noch bekömmlicher. Lawes probierte das Rezept auf einem Rübenacker aus und war beeindruckt.
Justus von Liebig gilt als der Vater der Düngemittelindustrie, er hätte diesen Ehrentitel aber vermutlich gern gegen John Bennet Lawes' außerordentlichen Erfolg eingetauscht. Liebig war nicht auf die Idee gekommen, seine Methode patentieren zu lassen. Als Lawes sich klarmachte, was für Umstände es für viel beschäftigte Bauern bedeutete, Knochen zu kaufen, zu kochen, sie zu zermahlen, Schwefelsäure von den Londoner Gaswerken zu holen, das Pulver damit zu behandeln und das verfestigte Ergebnis dieser Prozedur erneut zu mahlen, wurde er beim Patentamt vorstellig. Das Patent in der Tasche, errichtete er 1841 in Rothamsted die erste Kunstdüngerfabrik der Welt. Schon bald verkaufte er sein »Superphosphat« an alle angrenzenden Bauernhöfe.
Kurze Zeit später verlegte er seine Düngerfabrik auf ein größeres Gelände bei Greenwich an der Themse. Als sich die Verwendung chemischer Bodenzusätze immer mehr verbreitete, wurde die Zahl von Lawes' Fabriken größer und seine Produkte vielfältiger. Jetzt gehörten nicht nur Knochenmehl und mineralische Phosphate dazu, sondern auch zwei Stickstoffdünger: Natriumnitrat und Ammoniumsulfat (die später beide durch das heute übliche Ammoniumnitrat ersetzt wurden). Abermals war es der glücklose Liebig, der Stickstoff als Schlüsselelement der für das Pflanzenwohl entscheidenden Amino- und Nukleinsäuren erkannt, aber versäumt hatte, seine Entdeckung gewinnbringend zu nutzen. Während Liebig seine Ergebnisse veröffentlichte, ließ sich Lawes die Nitratmischungen patentieren.
Um herauszufinden, welche Stoffe am wirkungsvollsten waren, legte Lawes 1843 eine Reihe von Versuchsfeldern an, die noch heute in Betrieb sind, was Rothamsted Research nicht nur zum ältesten agrarwissenschaftlichen Versuchsbetrieb macht, sondern auch zum Ort des weltweit längsten Feldexperiments. Lawes und John Henry Gilbert, der Chemiker, der Lawes' Partner wurde und es sechzig Jahre lang blieb, begannen mit der Bepflanzung zweier Felder: das eine mit Futterrüben, das andere mit Weizen. Diese unterteilten sie in 24 Streifen und verfuhren mit jedem auf andere Weise.
Die Mischungen umfassten viel, wenig oder keinen Stickstoffdünger; rohes Knochenmehl, die patentierten Superphosphate oder gar kein Phosphat; Mineralien wie Pottasche, Magnesium, Kalium, Schwefel, Natrium; schließlich noch unbehandelten oder gekochten Naturdung. Einige Streifen wurden mit dem einheimischen Kalk bestreut, andere nicht. In den folgenden Jahren wurden einige Felder abwechselnd mit Gerste, Bohnen, Hafer, Rotklee und Kartoffeln bestellt. Einige Streifen ließ man in regelmäßigen Abständen brachliegen, andere wurden ständig mit der gleichen Frucht bepflanzt. Wieder andere dienten als Kontrollfelder, die überhaupt keine Zusätze
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