Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
nachgedacht hatte.
»Das mit der unterirdischen russischen Anlage weiß jeder«, erwiderte Medusa, klang dabei jedoch so, als wäre ihr ein wenig unbehaglich. »Genau wie das mit der Anlage in Mumbai für die Inder.«
»Und was ist mit den Südamerikanern, den Afrikanern und den nordischen Völkern?«
»Die wollen eher in Moskau leben, nicht bei uns. Wer bei uns im Programm mitmachen will, muss Angehöriger unseres Militärs sein.«
»Echt? Wir sind hier keine Militärs. Erst wenn wir achtzehn werden.« Toms Ungeheuer sprang auf die Couch. Unter seinem massigen Gewicht geriet sie in Schräglage, und unter heftigem Gelächter flatterte Medusas Avatar davon, sodass die Couch umkippte und auf Toms Avatar stürzte. »Sind die Russen Soldaten?«, fragte er.
»Schon, aber sie nehmen es nicht so ernst. Sie können den Dienst quittieren, wann immer sie wollen. Sie haben ein echtes Problem damit, denn eine Menge reicher Russen kaufen ihren Kindern nur deshalb einen Platz in dem Programm, damit sie einen Neuronalprozessor ins Gehirn eingesetzt bekommen. Und dann lassen sie sie wieder aussteigen.« Sie nutzte nun die Situation aus, dass Toms Ungeheuer festgenagelt war, und trampelte ihm auf dem Kopf herum. »Meist bekommen sie den Neuronalprozessor gar nicht mehr herausgenommen, auch wenn es noch früh genug dazu wäre.«
»Sehr schlau. Die Eltern schicken sie also nur dorthin, um aus ihnen in null Komma nichts Genies zu machen?«
»Tja, man sollte meinen, dass sie es deswegen tun. Aber es ist mal gegen eine Familie deswegen ermittelt worden, und dabei stellte sich heraus, dass das Mädchen, das den Neuronalprozessor implantiert bekommen hat, nicht einmal ihr leibliches Kind war, sondern bloß ein Mädchen, das sie dafür bezahlt haben, sich dafür auszugeben. Und bis das Militär das herausgefunden hat, haben sie dem Mädchen den Kopf wieder aufschneiden lassen und den Prozessor auf dem Schwarzmarkt verkauft.«
»Wow.«
»Wir haben einfach eine andere Einstellung zu den Dingen als sie. Deswegen hassen es die Russen, wenn sie uns besuchen müssen. In diesem Jahr haben sie sich ständig beschwert, weil sie jede Nacht schlafen wollten.«
Tom hielt in seiner Bemühung inne, sich von der Couch zu befreien, während sie ihn mit ihren Stiefeln immer wieder ins Gesicht trat. »Moment mal, schlaft ihr nachts denn nicht?«
»Ihr etwa?«
»Schlaf ist gut, Medusa. Schlaf ist super.«
»Wir haben programmierte Tiefschlafphasen. Mit einem Neuronalprozessor ist täglicher Schlaf nicht notwendig.«
Tom fuchtelte mit den Handschuhen herum und nahm den Versuch wieder auf, sich von der Couch zu befreien. »Aber es ist doch Schlaf .«
»Wir nutzen die Zeit besser.« Sie bückte sich, um ihm neckisch ins Gesicht zu lächeln. Dabei fiel ihr schwarzes Haar über seinen Helm. »Vielleicht gewinnen wir ja deshalb.«
Tom lachte. »Vielleicht wollen eure ausländischen Kombattanten ja deshalb lieber in Russland leben!« Er warf die Couch zur Seite, sprang auf und versetzte ihr einen Schlag.
»Kommst du aus Texas?«, fragte ihn Medusa aus heiterem Himmel, bevor sie ihm seinerseits einen Hieb verpasste.
»Wieso Texas? Sehe ich aus wie ein Texaner?«
»Texas und New York sind die einzigen Orte in Amerika, von denen ich gehört habe. Ach, und Kalifornien.«
»Aus Texas bin ich nicht, aber ich kenne einen Typen, der aus Texas stammt. Er heißt Eddie.«
»Hat er auf einer Ranch gelebt?«
»Nee. Ein Cowboy ist er nicht. Ich glaube, er ist Arzt. Er und mein Dad haben sich mal geprügelt, und hinterher haben sie zusammen Bier getrunken. Sie sind immer noch Kumpel. Ich schätze, so freundet man sich dort unten an.«
»Haben wir uns nicht auch so angefreundet, durch Kämpfen? Sie schlug ihn so fest, dass er durch die Wand krachte.
Tom kam wieder auf die Beine, stürmte in den Raum zurück und griff sie an. »Schon, aber wir haben ja nicht bloß gekämpft. Wir haben gemeinsam den Beringer Club demoliert. Oh, und ich bin durch dich entsetzliche Tode gestorben. Grausamer Mord ist immer die Grundlage für eine wunderbare Freundschaft.«
Sie lachte, und ihre ägyptische Königin versetzte seinem Ungeheuer einen Kung-Fu-Tritt, der ihn quer durch den Raum katapultierte, bis er gegen eine Steinwand knallte und diese zum Einsturz brachte. Toms Ungeheuer wurde darunter begraben. Instinktiv hatte er das Bild eines hübschen chinesischen Mädchens vor Augen, das Videogames mochte, aus dessen Augen Feuer schoss und das gegen ihn kämpfte. Und das
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