Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
gemischt mit einem seltsamen Gefühl der Enttäuschung. »Das werden Sie auch nicht. Er ist viel unterwegs. Keine Nummer, er benutzt nicht einmal Virtual Reality. Sie haben keine Chance, ihn aufzutreiben.«
»Hast du vielleicht irgendeine Idee …?«
»Sie verschwenden nur Ihre Zeit, wenn Sie nach ihm suchen. Er würde sowieso nicht kommen.«
Als der Tag dann kam, richtete sich Tom auf seinem Bett auf einen langen Nachmittag ein, an dem er Medusa-Kämpfe anschauen und vielleicht ein paar Videogames spielen würde. Daher war er schockiert, als er sich gerade Medusas Schlacht auf Titan noch einmal anschauen wollte und genau in diesem Moment angepingt wurde: Melden Sie sich im Empfangsbereich als Elternbegleitperson.
Völlig verdutzt blieb Tom auf seinem Bett sitzen und starrte an die Decke. Auf keinen Fall. Nie, niemals. Konnte Neil es irgendwie herausbekommen haben? War er gekommen? Wie war das möglich?
Melden Sie sich im Empfangsbereich als Elternbegleitperson , wurde er erneut angepingt.
Tom sprang aus dem Bett, fuhr sich durch die Haare, bis seine Frisur einigermaßen saß, und ging zu den Aufzügen. Neil war echt hier? Erneut glättete er sein Haar. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Erst als der Aufzug nach unten glitt, fiel Tom ein, dass es vielleicht gar nicht sein Vater war.
Es konnte auch seine Mutter sein.
Nein. Unmöglich. So etwas tat sie nicht. Er hatte sie in der Zeit, als Neil zu sechzig Tagen Haft verurteilt worden war, besucht. Sie hatte ihn überrascht angestarrt, als könnte sie nicht glauben, dass ein so hässliches Wesen ihr Sohn sein könnte. Sie hatte ihn nicht in die Arme genommen – und er hatte sie ebenfalls nicht umarmt. Sie hatten gefühlte drei Worte miteinander gewechselt.
Dann war ihr Freund Dalton aufgetaucht, zusammen mit einem privaten Sicherheitsmann, der einen Netzhautscanner mit sich schleppte, und hatte gefragt: »Alles in Ordnung, Delilah?« Als würde Tom quer durch das Land reisen, bloß um seiner Mutter etwas anzutun.
Obwohl der Scanner Toms Identität bestätigte, pflanzte sich Dalton in der Wohnung auf und beobachtete Tom auf Schritt und Tritt misstrauisch, als wäre er überzeugt davon, Tom sei nur zu Besuch gekommen, um das Gebäude abzufackeln. Seine Mutter hatte ihre Hausangestellte losgeschickt, um ein VR -Set für ihn auszuleihen. Dann war sie mit Dalton irgendwohin gegangen und nicht wieder zurückgekehrt. Als Neil vorzeitig entlassen wurde, machte Tom sich nicht die Mühe, auf ihre Rückkehr zu warten. Er hinterließ ihr eine Nachricht und kehrte zu seiner einzigen richtigen Familie zurück – seinem Dad.
Als er aus dem Aufzug trat und sich durch die Menge der Eltern schlängelte, war ihm, als befände er sich in einem seltsamen Traum. Er erspähte Vik und seine Sari tragende Mutter und blieb stehen, um gegen das absurde Bedürfnis anzukämpfen, Unterstützung anzufordern.
Dann betrachtete er Vik genauer und sah, wie seine Mutter ihm die Uniform an der Schulter glättete und auf Hindi sagte: »… weiß immer noch nicht, warum du unbedingt über den großen Teich wolltest, obwohl du auch in Mumbai hättest trainieren können.«
»Das habe ich dir doch schon hundertmal gesagt«, erwiderte Vik, »ich habe eine viel größere Chance, Kombattant zu werden, wenn ich in Amerika trainiere. Hier wird man viel mehr gefördert.«
»Geben sie dir auch genug zu essen, Vikram? Du bist ja ganz mager!«Sie wechselte ins Englische mit starkem Akzent. »Ich hätte dir ein selbst gemachtes Curry mitbringen sollen. Hast du manchmal immer noch Bauchweh?«
»Mom!«, rief Vik.
»Ich wollte doch bloß … Lacht dieser Junge da über uns?«
Tom bemühte sich, sein Lachen zu unterdrücken. Viks Blick verengte sich. »Natürlich nicht.«
Tom hatte seine helle Freude an Viks Qual. Als Viks Mutter gerade nicht hinschaute, fuhr sich Vik mit der flachen Hand über die Kehle und formte mit den Lippen die Worte »töte dich.«Tom tätschelte sich den Bauch und formte seinerseits das Wort »Bauchweh«. Dann tauchte er in der Menschenmenge unter, bevor Viks Mom wieder auf ihn aufmerksam wurde.
Dabei kam er an Beamer mit seinen Eltern und seinem großmäuligen rothaarigen Schwesterchen vorbei.
»Zeig uns Schießgewehre, Stephen!«
»Das ist nicht erlaubt, Crissy, ich sagte dir doch …«
Am Rand der Menge erspähte er zudem Yuri mit einem hellhaarigen Mann, der so helle Augenbrauen hatte, dass sie sich kaum von seiner Stirn abhoben. Sein Vater, vermutete er. Sie
Weitere Kostenlose Bücher