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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Tehuacán. Dieser breiten, von steilen Felsen umrahmten Tallandschaft im Süden Mexikos kommt eine Schlüsselrolle in der Besiedlung und kulturellen Entwicklung Amerikas zu. DieIndianer, die hier anfingen, Mais anzubauen, siedelten als Halbnomaden in Dörfern und Höhlen der Felswände. Sie pflanzten für den eigenen Bedarf Gartenfrüchte wie Kürbis, Avocado, Bohnen, eine hirseähnliche Pflanze (Amarant) sowie Baumwolle. Um 3000 v. Chr. hatten die Maiskolben dann bereits eine Länge von sieben Zentimetern – so lang wie ein Finger. Noch einmal 3000 Jahre später, zur Zeitenwende, waren die Kolben handlang und die Körner großvolumig. Die indianischen Ackerbauern müssen über diesen langen Zeitraum sehr konsequent die zufälligen Mutationen mit größeren Kolben und Körnern weitergezüchtet haben. Seit 1500 v. Chr. verbreitete sich der Mais über die beiden amerikanischen Kontinente, rund um die Karibik. Zur Zeit der mittelamerikanischen Hochkulturen hatten Maiskolben bereits deutlich über hundert Körner.
    Für die Maya war der Maisanbau einerseits Grundlage ihrer Zivilisation, aber andererseits wohl auch der Grund für ihren Untergang. Die Träger der ältesten halbwegs bekannten mittelamerikanischen Zivilisation lebten keineswegs im Dschungel, sondern im ersten Jahrtausend v. Chr. als jungsteinzeitliche Ackerbauern in Dörfern im Hochland von Guatemala. Die Maya kannten den Anbau von Kürbis, Bohnen und Mais, den sie eventuell von anderen Vorläufer-Bauernkulturen übernommen hatten. Erstmals zuverlässig datierbar sind sie kurz vor 300 n. Chr., also zu der Zeit, als in Europa Konstantinopel die neue Hauptstadt des Römischen Reiches wurde. Vielleicht unter dem Einfluss der noch rätselhafteren Olmeken-Kultur weiter im Norden entstand nun im Verlauf von 200 Jahren um Tikal in Guatemala der erste Maya-Flächenstaat mit Tempeln, Palastbauten und Observatorien aus Stein. Die Maya dehnten ihr Gebiet ab 500 Richtung Yucatan aus, doch sie bildeten nie ein einheitliches »Reich«, sondern eher einen Commonwealth von Stadtstaaten mit eigenen Herrschern und bis zu 10000 Einwohnern – für damalige Verhältnisse eine gewaltige Zahl. Tikal, Copán und Palenque waren teils miteinander verbündet, zu anderen Zeiten bekriegten sie sich; vielleicht ging es dabei sogar schon um den Kampf um Ressourcen.
    Denn die Maya betrieben ihren Ackerbau ohne »technische« Hilfsmittel. Der Feldanbau bestand darin, mit einem Holzstock Löcher in den Boden zu graben und Körner oder Setzlinge einzupflanzen. Eine mühsame Handarbeit, jahraus, jahrein. Die Maya-Bauern kannten weder Rad noch Zugtiere oder Pflug. Ihnen war auch nicht klar, dass der Anbau der gleichen Pflanzen auf immer gleichen Feldern ohne Fruchtfolge zu einer Monokultur mit steigendem Risiko für Schädlingsbefall und Auslaugen der Böden führte. Ähnlich wie der Weizen im mittelalterlichen Europa war Mais zunächst eine Festtags- und Adelsspeise und wurde erst allmählich zum Grundnahrungsmittel. Als die Erträge knapper wurden, weiteten die Maya durch Rodung die Anbauflächen aus; die Entfernungen zu ihren Siedlungen wurden immer größer. Die von Archäologen festgestellten Verlagerungen von »Hauptstädten«, die unerklärliche Aufgabe von Siedlungsplätzen, der zwischenzeitliche Niedergang und das nochmalige Wiederaufblühen einer maya-toltekischen Mischkultur in Chichén Itzá um 1000 n. Chr. haben möglicherweise hier ihre Ursache.
    Da es keine historischen Nachrichten gibt, werden die archäologisch feststellbaren Vorgänge heute so gedeutet, dass die Maya-Zivilisation in einem Kreislauf von erfolgreichem Feldfruchtanbau, darauf beruhender Bevölkerungsvermehrung, Ausweitung der Anbauflächen unter zunehmend schwierigen Bedingungen wie Bodenerosion bei immer noch ansteigender Bevölkerung an die Grenzen ihres Wachstums stieß und schließlich kollabierte. Der Kollaps erfolgte nicht über Nacht, es war ein langanhaltender Prozess in diesem Teufelskreis aus Raubbau, Überbevölkerung, Hunger, daraus folgendem Kontrollverlust und Anarchie. Andere Faktoren mögen ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen haben: zum Beispiel die Kriege der Maya-Stadtstaaten untereinander. Denkbar sind äußere Einflüsse wie eine Zuwanderung der Tolteken, von der man nicht weiß,ob sie friedlich oder kriegerisch verlief. Auch eine Dürreperiode hat allem Anschein nach die Erträge der ohnehin angeschlagenen Landwirtschaft verringert. Von den drei Millionen Maya zu ihrer Blütezeit

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