Die Weltgeschichte der Pflanzen
waren bei Ankunft der Spanier noch etwa 30000 übrig.
Der Untergang der Maya-Kultur, deren Aufstieg so eng mit dem Maisanbau verbunden war, wird von prominenten Historikern als Musterbeispiel eines Ökozids interpretiert, als ein warnendes Beispiel für das, was passiert, wenn die Abhängigkeit von der lokalen oder globalen Ökologie nicht erkannt wird, Anpassungsleistungen nicht erfolgen, die Ressourcenausbeute überdehnt und der Bevölkerungsdruck zu hoch wird.
Das aus Eurasien gewohnte Ablaufschema Ackerbaukultur, Keramikkultur, Bronzezeit und Eisenzeit lässt sich ohnehin nicht auf die beiden Amerikas übertragen. Selbst die späten Hochkulturen der Maya, Azteken und Inka befanden sich bei der Ankunft der Europäer noch auf der Stufe von Keramikkulturen mit dem einzigen wesentlichen Unterschied, dass sie den Steinbau beherrschten. Sie wendeten ihn allerdings vorwiegend für Tempel- und Palastanlagen an, kaum zum »Wohnungsbau«. Die Masse der Bevölkerung lebte in dörflichen Hütten »auf dem Land«. Ansonsten kannte keine der präkolumbianischen Hochkulturen die Metallschmelze, also keine Bronze oder Eisen, kein Rad, keine Töpferscheibe, keine Viehhaltung.
Natürlich wussten die Maya und andere Kulturen Mittelamerikas um die Bedeutung von Mais als Grundlage ihrer Zivilisation und drückten dies in ihrer Mythologie und Religion aus. Sie hielten sich selbst von den Göttern aus Mais geformt – und dann schenkten die Götter ihnen noch ihr eigenes Blut als Lebenssaft. Dafür mussten sie den Göttern etwas zurückgeben. Diese religiöse Vorstellung aller mittelamerikanischen Bauernvölker verdichtet sich später bei den Tolteken, die seit dem neunten Jahrhundert, also während des europäischen Hochmittelalters, eine politisch und kulturell führende Rolle in Mittelamerika einnahmen.
Durch die Tolteken wurde »Gefiederte Schlange« Quetzalcoatl ein mesoamerikanischer Hauptgott, den man als Schöpfergott der Mais-Menschheit betrachtete. Um ihn und die übrigen Götter für diese Tat zu versöhnen und ihrerseits »am Leben zu erhalten«, musste nach der Vorstellung der mittelamerikanischen Völker viel Blut geopfert werden. Sie stellten sich die Götter im Unterschied zu den eurasischen Völkern als prinzipiell sterblich vor. Zur Aufrechterhaltung der Welt mussten diese daher mit Blut »ernährt« werden. Die religiöse Blutspur zieht sich bis zu den Herzopfern der Azteken auf dem Gipfel der Pyramiden, die uns so grausam erscheinen, von den Opfern aber wohl als Märtyrertat zur Versöhnung der Götter und mythischen Aufrechterhaltung des Schöpfungskreislaufs als große Ehre empfunden wurden.
Zur Aztekenzeit war Mais längst ein Grundnahrungsmittel der Indianer Nord- und Südamerikas sowie der Karibik. Die Azteken hatten, wie es bei allen derart naturnahen Völkern der Fall war, allerlei Ackerbau- und Vegetationsgottheiten rund um den Mais mit dementsprechenden Riten. Der wichtigste Maisgott war Cinteotl, nach dem Aztekenwort centli für Mais. Die Aztekensprache Nahuatl gehört zu einer ganz anderen indianischen Sprachfamilie als das Taino-Arawak oder die Kariben-Sprachen. Es ist verwandt mit den Sprachen der Hopi, Komantschen und Schoschonen, und das zeigt schon an, woher diese Azteken einstmals kamen.
Centli haben wir nicht aus dieser Sprache übernommen, sondern das Awarak-Wort mahís , aber dafür andere Nahuatl-Pflanzennamen: Ahuacatl (»Avocado«), chilli (»Chili«), cacahuatl (»Kakao«) und in Verbindung damit xocolatl (»Schokolade«), ferner coyotl und ocelotl .
Mais ist die einzige in Amerika heimische Getreideart. So wie der Weizen sozusagen das Leitgetreide Europas und der Reis dasjenige Asiens ist, so ist der Mais »das« amerikanische Getreide. Im amerikanischen Englisch lautet die Bezeichnung für Mais nicht umsonst corn , also das Getreide schlechthin.
Cornflakes sind heute das bekannteste und populärste Mais-Produkt. Ihr Erfinder war der etwas exzentrische amerikanische Diät-Arzt John Harvey Kellogg (1852-1943). Der Gesundheitsapostel betrieb ein berühmtes Sanatorium in Michigan mit vegetarischer Kost, Hydrotherapie und »Entschlackungskuren« samt Einläufen und Klistieren, in dem um 1900 die High Society Amerikas aus- und einging. Genau genommen hatte John Kellogg aber nur die Idee mit den Getreideflocken aus Weizen, die aufgekocht, dünn gepresst und geröstet wurden.
Es war sein Bruder William, der für die Produktion auf Mais als Getreidegrundlage umstieg und damit den
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