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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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tiefe Spiritualität
     jüdischer Religion bezeugt. Mir ist er einer der liebsten, und ich kann gut nachvollziehen, dass man gerade dieses Preislied
     Moses in den Mund legte, auf den man in späteren Zeiten die ganze biblische Tora zurückführte. Den historischen Tatsachen
     entspricht das aber nicht. Das Psalmenbuch setzt eine gezielte Redaktion voraus: schreiben, sammeln und sichten. Ähnlich wird
     man sich auch das Zustandekommen der übrigen Texte vorstellen müssen.
    Ich wundere mich, wie aus so viel Kleinarbeit ein so großer Wurf hervorgehen konnte. Als Ganzes gesehen ist die Hebräische
     Bibel ein dramatisches Werk, das durch Genialität besticht. Irgendwann ist aus vielen Teilen, Entwürfen und Überlieferungen
     ganz unterschiedlicher zeitlicher Herkunft das grandiose Monument entstanden, das wir heute die Bibel nennen. Ein schier unglaublicher
     Vorgang. Kein Wunder, dass spätere Generationen glaubten, die Bibel sei stracks vom Himmel gefallen und von Gottes Geist den
     Schreibern Wort für Wort in die Feder diktiert worden.
    An historische Prinzipien und zeitliche Einordnungen haben die Schreiber, Sammler, Redakteure bei ihrer bewundernswerten Arbeit
     nicht gedacht. Die |108| Bibel beginnt mit einem Paukenschlag, mit der Erschaffung von Himmel und Erde! Dieser Text ist mit Sicherheit erst im Babylonischen
     Exil entstanden und gehört zeitlich gesehen zu den jüngeren Schriftwerken der Bibel. Aber die Schöpfungsgeschichte war dem
     Judentum so wichtig, dass es sie am Anfang seiner Familienchronik sehen wollte: Die Welt war für Israel, das Gottesvolk, geschaffen
     worden!
    Moses wird wiederentdeckt
    Im babylonischen Fremdland suchte Israel nach seinen Wurzeln, um sich durch seine Biografie vom Völkergemisch des Zweistromlands
     abzugrenzen. Dabei wählte es Moses als Leitfigur. Vor dem Exil spielte dieser in Israels Religion keine tragende Rolle. Die
     lange prophetische Tradition kannte ihn offenbar gar nicht, jedenfalls erwähnt ihn keiner der Propheten. Moses gab es noch
     nicht, wenigstens nicht so, wie er in der späteren jüdischen Überlieferung immer wieder auftritt. Auch in den Papyrus-Texten
     von Elephantine suchen wir vergeblich nach einer Lebensspur von ihm. Erst die Schreiber in Babylon erkoren ihn zur zentralen
     Figur ihrer Religion. Auf ihn führten sie alle rechtlichen Bestimmungen zurück, die das Leben Israels vor Jahwe ordnen sollten.
     Einmal in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt, wuchs Moses zur alles überragenden Vaterfigur. Josephus, der jüdische Historiker,
     machte ihn schließlich zum kulturellen Leitbild der gesamten Mittelmeerwelt: »Er erfand die Schiffe, Maschinen, um Steine
     zu transportieren, die ägyptischen Waffen, Bewässerungsanlagen, Kriegsgeräte und die Philosophie.« Fiktionen, über die heutzutage
     selbst strenggläubige Juden nur lächeln können.
    Ähnlich war es bei Buddha, ähnlich ist es auch bei Jesus und Muhammad. Überall, bis hinein in unser persönliches Leben ist
     es so. Verstorbene, die uns lieb waren, verklären sich in der Erinnerung, wir verinnerlichen sie, und damit werden sie uns
     zur seelischen Kraftquelle. Das ist auch mit Moses geschehen. Ihn, den bis dahin fast Namenlosen, umgibt seit dem Babylonischen
     Exil ein Kranz von Sagen und Legenden, die es uns heute erschweren, dahinter eine historische Gestalt zu entdecken.
    Doch die gab es. Den »Auszug aus Ägypten« haben zwar keine Kameras festgehalten, aber er passt in den Gang der ägyptischen
     Geschichte. Es besteht kein Grund, an seiner Faktizität zu zweifeln. Nur seine gewaltigen Dimensionen in der Hebräischen Bibel
     waren ein Produkt der Bibelredakteure.
    |109| Nicht ganz Israel, nicht die Zwölf-Stämme-Gemeinschaft, hat dem Pharao dienstbar sein müssen. Aber eine nicht unbeträchtliche
     Zahl von semitischen Nomaden wurde zu Baumaßnahmen des Pharao herangezogen. Wer war dieser Pharao? Der große Ramses II.? Oder
     dessen Nachfolger Merentaph? Ein Mann mit Namen Moses organisierte jedenfalls den Widerstand der Bauarbeiter und führte sie
     mit ihren Familien in einer Nacht- und Nebelaktion an den Grenzbefestigungen vorbei in die Freiheit hinaus. Solche Ausbruchsversuche
     mag es vielfach gegeben haben. Zu unbedeutend allerdings, als dass ägyptische Chronisten sie auch nur der Erwähnung für wert
     gehalten hätten. Den Entronnenen jedoch wurde der Exodus zum Schlüsselerlebnis. Im Bergland Palästinas traf die kleine Schar
     unter Moses Führung auf israelische

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