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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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Wissenschaftler bergen, bezeichnenderweise ohne biblische
     Texte. Unter den Namen der Soldaten, Verwaltungsangestellten und Priestern fehlten gleichfalls die vertrauten biblischen:
     Abraham, Jakob, Josef, Samuel und David. Die jüdische Gemeinde in Elephantine war eine reine Tempel- und Kultreligion. Man
     kannte am Nil noch keine biblischen Schriften und besaß die Tora noch nicht. Es gab dort keinen Esra, der aus den Schriften
     vortrug und das Wort Gottes für die Nachwelt verwahrte. So bestätigt dieser archäologische Befund Spinozas Votum: ohne Esra
     keine Bibel.
    Schreiber, Sammler, Redakteure
    Ähnlich wie in unserer Zeit die Vereinigten Staaten zur Zuflucht und Heimat für viele Israelis wurden, übte in der Antike
     das Land am Nil eine magische Anziehungskraft auf die Juden aus. In der Zeit nach Esra, seit dem 5. und 4. Jahrhundert vor
     unserer Zeit, muss sich eine große Anzahl von Juden dauerhaft in Ägypten niedergelassen haben. Sie errichteten einen weiteren
     Tempel nördlich von Memphis sowie einen überdimensionalen, prächtigen Synagogenbau in |104| Alexandria, den man gut und gerne neben die berühmten »Sieben Weltwunder« stellen darf.
    Halte ich mir das Beispiel Ägypten vor Augen, frage ich mich, warum die Entwicklung in Babylonien so ganz anders verlief.
     Dort kam es zu keinem Tempelneubau, und die Mehrzahl der Exilanten kehrte in der Zeit Esras wieder nach Jerusalem zurück.
    Warum? Rein materiell gesehen erging es den Juden in Babylon gar nicht so übel. Ziel der babylonischen Herrscher war es jedenfalls
     nicht, Israel auszurotten. Sie deportierten überall in ihren eroberten Ländern deren Oberschichten und verpflanzten sie ins
     Zweistromland, integrierten sie in ihr Staatswesen. Die zwangsverschleppten Priester, Handwerker, Landeigner, Schreiber und
     die Angehörigen |105| der judäischen Königsfamilie mussten an den Flüssen Babylons keine Sklavenarbeit verrichten. Sie siedelten in geschlossenen
     Orten, durften dort Berufen nachgehen und sich selbst verwalten. Manche, Esra zum Beispiel, fanden als Regierungsbeamte Zugang
     zur höfischen Gesellschaft der Babylonier und später der Perser. Dennoch, die Hoffnung auf eine Rückkehr in die alte Heimat
     erstarb nicht. Israel vermisste die Gegenwart seines Gottes, den sie in der Fremde nicht kultisch verehren konnten.
    |104|
    Mosaik aus der Synagoge in Alexandria.
    |105| In dieser Situation muss sich in den Gemeinden eine Frömmigkeitsbewegung gebildet haben, die ohne die traditionellen, an Kult
     und Tempel orientierten religiösen Handlungen auskam. Priester und Schreiber hatten vermutlich Unterlagen aus dem Jerusalemer
     Tempelarchiv mit nach Babylon nehmen können, darunter wohl auch Aufzeichnungen aus der ersten Prophetenzeit Israels. Diese
     Texte wurden nun wichtig, etwa die Worte des Propheten Micha: »Womit soll ich vor Gott treten, wie Ehre erweisen dem Höchsten?
     Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist! Nur das verlangt er von dir, Recht tun und da sein für andere, Gott entsprechen mit
     deinem Leben.« Die Kritik an einer rein kultisch orientierten Frömmigkeit war immer schon Bestandteil der prophetischen Botschaft
     gewesen. Schon vor der großen Katastrophe hatte Jeremia im Namen Jahwes verkündet:
    »Gebt nichts auf das Lügengewäsch: Wir haben den Tempel, den Tempel! Der Tempel unseres Gottes ist hier! Nur wenn ihr euer
     Tun und Verhalten von Grund auf, ganz und gar ändert, Fremde, Witwen und Waisen nicht beschwert,– nur dann will ich bei euch
     bleiben! – Doch ihr nehmt die Leute aus, zerstört Ehen, beschwört eure Lügen, hängt Göttern an, mit denen ihr nichts zu schaffen
     habt, und kommt dann, tretet vor mich in dem Haus, das meinen Namen trägt, und sagt noch: Hier sind wir sicher! Wohl um weiter
     eure Verbrechen zu tun? Haltet ihr mein Haus vielleicht für eine Räuberhöhle?«
    In der Fremde las man das mit neuen Augen ebenso wie die Worte von Hosea, einem Propheten des Nordreichs: »Ich setze dir zu
     durch meine Propheten, bringe dich um durch mein Wort, meinem Recht will ich Klarheit verschaffen. Denn das suche ich bei
     dir, Israel: Dasein für andere, keine Opferfeste, Gotteserkenntnis, nicht Brand und Rauch!« Die Propheten waren Leute, die
     den Mund aufmachten, so könnte man die hebräische Bezeichnung »Nebiim« auch übersetzen. Der Hintergrund ihrer Botschaft war
     der Solidarpakt zwischen Gott Jahwe und Israel. Tausendfach hatten ihn die Regierenden, Priester und Großgrundbesitzer

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