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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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einst Europa mit Energie aus der Luft. Und die fortschrittlichen Wasserkraft- und
     Bewässerungsanlagen waren ebenfalls importiert. Wenn muslimische Geografen einen Bach oder Fluss beschrieben, vergaßen sie
     selten anzugeben, wie viele Mühlen er betreiben konnte. Die Verfeinerung der Sitten, das Schachspiel sind weitere Beispiele
     für den gewaltigen Einfluss der arabischen Welt auf Europa. Dort nahmen die Gelehrten in den mittelalterlichen Klöstern die
     Anregungen begierig auf, übersetzten sie zunächst ins Lateinische, die Sprache der Kirche, und später auch in die europäischen
     Volkssprachen, entwickelten sie weiter und überlieferten sie an die kommenden Generationen. So wurde – mit arabischer Hilfe
     – ein geistiges Fundament gelegt, das Europa letztlich auch eine Rechtsphilosophie und damit die Gewaltenteilung bescherte.
    |187| Wo ist die frühere Herrlichkeit des Islam geblieben? Muhammads Botschaft ließ die halbe Welt kulturell aufblühen, verlieh
     dem rückständigen Europa einen ungeheuren Entwicklungsschub. Was ist daraus geworden? Nach sieben oder acht Jahrhunderten
     glänzender Entwicklung kam der Fortschritt im Islam zum Stillstand. Warum? In Istanbul wurde 1727 die erste, aus Europa importierte
     Druckmaschine installiert, als man im Westen längst zum Frühstück die Zeitung las. Und der gelehrte Lichtenberg beklagte schon
     1785, dass heutzutage »die Geburtsörter der Astronomie, Arabien und Ägypten, von Barbaren bewohnt werden, bei denen Ignoranz
     ein Glaubensartikel ist.« Warum haben die muslimischen Länder nicht aufholen können? Ich weiß es nicht und es schmerzt mich.
     Japan schaffte es doch auch: Das Inselreich katapultierte sich innerhalb kürzester Zeit in die Moderne. Eine ähnliche Entwicklung
     wie in Japan gab es im Islam nicht, leider nicht. Vielleicht wären wir sonst dem Weltfrieden näher.
    Die Kreuzzüge gegen den Islam
    Waren vielleicht die Kreuzzüge Schuld daran? Europa blickte damals zum ersten Mal über seinen Tellerrand. Ein bitteres Kapitel,
     denn es belastet die Beziehungen zu den arabischen Ländern bis heute. Die Kreuzzüge konnten den Islam militärisch nicht entscheidend
     schwächen. Die Erfolge der europäischen Kreuzritter waren unbedeutend, aber äußerst brutal. Sie schreckten nicht einmal davor
     zurück, die Al-Aqsa Moschee in Jerusalem zu schänden. Das geschah während des ersten Kreuzzugs am 6. Juni 1099, im »Jahr des
     Herrn«.
    Als die Kreuzfahrer die Stadtmauer stürmten, ergriffen alle Verteidiger die Flucht. »Unsere Leute verfolgten sie auf der Mauer
     und durch die Stadt und töteten und verstümmelten sie. Das ging bis zum Tempel Salomos [die Al-Aqsa], dort gab es ein solches
     Gemetzel, dass wir bis zu den Knöcheln im Blut der Feinde standen. Am nächsten Morgen stiegen sie auf das Dach des Tempels,
     griffen die Männer und Frauen der Sarazenen [Muslime] an und schlugen ihnen mit dem blanken Schwert die Köpfe ab.« Mit diesen
     Worten beschreibt einer der Teilnehmer das Massaker.
    Der Aufmarsch der Kreuzritterheere zog eine blutige Spur durch ganz Europa, die auf den Dächern der Al-Aqsa endete. Franzosen
     und Flamen passierten das Rheintal und demonstrierten ihre Entschlossenheit, keinen Ungläubigen am Leben zu lassen. Opfer
     der marodierenden Meute wurden die |188| Juden von Köln, Mainz, Worms und Speyer. Mit Unterstützung der Einheimischen brannten sie die Synagogen nieder, schlachteten
     die Juden ab, wo immer sie ihrer habhaft werden konnten.
    In Mainz spielte sich die folgende Tragödie ab: Die Juden der Stadt hatten sich in den Hof des erzbischöflichen Palastes geflüchtet,
     ein blutlüsterner Mob belagerte sie. Vor die Entscheidung zwischen Taufe und Tod gestellt, wählten sie den Tod durch eigene
     Hand. »Frauen ermannten sich, erschlugen ihre Söhne und Töchter, danach sich selbst. Männer nahmen ihren Mut zusammen, brachten
     ihre Frauen, Söhne, die Enkel um. Die zarte Mutter schlachtete das Kindchen, mit dem sie gespielt hatte, alle miteinander,
     Frauen wie Männer töteten sich gegenseitig. Die Mädchen und die jungen Paare schrieen aus den Fenstern: Gott, schau, sieh
     dir an, wie wir deinen großen Namen heiligen – um dich nicht gegen ihren Gehenkten, den Gekreuzigten einzutauschen!« Der Schreiber
     berichtet von 1100 Toten, über ihren Leichen ruft er dem Gott Israels zu: Willst du länger zögern und an dich halten? »Komm
     und räche das Blut deiner Diener, vergossen in unseren Tagen,

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