Die Weltverbesserer
nach ihr. Er stieg einen steilen Hang in ein Tal hinab, wo er ein Ol-Dorf gesehen hatte. Er traf die Ols, die für ihn gesorgt hatten, aber er wußte nicht, wie sie Liano nannten, und als er das rascische Wort Yilesc aussprach, schienen sie ihn nicht zu verstehen. Wahrscheinlich war sie mit einem Kewl, einem Wagen und einem Narmpf entflohen. Aber er war noch zu schwach, um ihr zu folgen, und so blieb er im Dorf.
Die Ols, die hier lebten, waren die merkwürdigsten, die er je gesehen hatte. Sie hatten Nahrung und Quarm-Holz in Hülle und Fülle, sie arbeiteten nicht, kein Durrl quälte sie, und manche schliefen bis in den Tag hinein. Sie waren Totenwärter. Nachts verschwanden manche und kehrten mit Toten zurück, die sie in die Grabhöhle brachten. Als Farrari zu Kräften gekommen war, folgte er ihnen manchmal in die Höhle und beobachtete das Totenritual. Aber ohne die Yilesc-Priesterin begruben die Ols ihre Toten ohne Gesang und Tanz. Nur manchmal stieß ein Ol ein Grunzwort aus, und alle warfen sich zu Boden. Farrari grübelte lange über diesen seltsamen Ritus nach, fand aber keine Erklärung.
Eines Morgens kletterte Farrari auf eine Wiese oberhalb des Dorfes, um in Ruhe nachzudenken. Er wußte jetzt mehr über die Ols als alle anderen Nicht-Ols auf Branoff IV. Außer Liano, aber die behielt ihr Wissen für sich. Aber er, Farrari, sollte imstande sein, sein Wissen zu verwerten.
Er nahm an, daß die Höhle mit den Reliefs in Brans Tal als Grabhöhle gedient hatte. Das würde bedeuten, daß die Ols ihre Totenrituale seit jenen fernen Zeiten, da sie noch die Herren von Scorvif waren, nicht geändert hatten. Die Tatsache, daß die Rascs nicht dagegen einschritten, hieß, daß sie irgendwelche Vorteile daraus zogen.
Wenn ein Ol starb, wurde er zu einem Sammelpunkt gebracht, von dem aus die Totenwärter es in die Grabhöhle trugen. Wahrscheinlich gab es mehrere Grabhöhlen, und bei jeder befand sich ein von Totenwärtern bewohntes Dorf.
Und was wußte er noch? Daß die Ols sterben wollten. Das hatte Bran behauptet, wenn er auch falsche Ursachen dafür angeführt hatte. Aber was waren die richtigen Ursachen?
Die Ols wollten sterben, aber sie begingen niemals Selbstmord.
Die Ols verehrten ihre Herren, die sie quälten und ermordeten.
Die Ols unternahmen keine Versuche, zu fliehen oder sich zu verteidigen, sich mehr Essen zu beschaffen. Lieber verhungerten sie.
Sie wollten sterben, aber ihre Religion verbot Selbstmord, Gewalttätigkeit und Mord. Da es ihnen verboten war, sich selbst oder andere zu töten, verehrten sie ihre Peiniger deshalb, weil sie von ihnen getötet wurden?
»Ein Totenkult!« rief Farrari aus. »Ein Volk, das nur für eines lebte: für das Sterben!«
Aber warum wollten sie sterben? Das Ende allen Lebens ist der Tod, und jeder, der intensiv über diese Tatsache nachdenkt, kann mit der Zeit eine morbide Philosophie entwickeln. Wenn die Religion der Ols lehrte, daß der Tod eine willkommene Befreiung vom Leben, war, eine Reise in das Paradies, zu ewigem Heil, dann würden sie den Tod dem Leben vorziehen.
Erregt stand Farrari auf. Das erstemal war er mit Ols konfrontiert worden, als er den Film von der Frau gesehen hatte, die zu Tod gepeitscht worden war. Er konnte sich noch an die Gesichter der Ols erinnern, die zugesehen hatten. Ihre Gesichter hatten Begeisterung ausgedrückt – und Neid. Das sah er jetzt deutlich vor sich. Sie wollten sterben, sie beneideten die, die sterben dürfen, sie verehrten die, die ihnen den Tod brachten.
Und die Rascs hatten den Totenkult der Ols gefördert. Ein Volk, das sterben wollte, würde sich niemals gegen seine Herren erheben.
Warum hatte das IBB so wenig über die Religion der Ols in Erfahrung gebracht?
Die Ols hatten die Agenten des IBB erkannt. Sie schienen sie zu akzeptieren, nahmen sie in ihrer Mitte auf, aber in ihre ureigensten Angelegenheiten gewährten sie ihnen keinen Einblick. Nicht in ihre Religion. Dogar Bran, das vollkommene Ol, hatte nichts darüber gewußt.
Aber Farrari wußte jetzt etwas darüber. Was sollte er mit seinem Wissen anfangen? Wenn er zum Stützpunkt zurückkehrte, würde man ihn als Helden feiern, trotz seiner Verletzung der Gesetze, weil er etwas entdeckt hatte, was noch kein IBB-Mitarbeiter in Erfahrung gebracht hatte. Sein Wissen würde in unzähligen Berichten erwähnt werden, aber sonst keine Ergebnisse bringen. Doch Farrari arbeitete für das Wohl der Ols, und deshalb würde er also nicht zum Stützpunkt
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