Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
besiegt die Schultern und stopfte sich eine Gabel Spaghetti alla napoletana in den Mund, so dass ihr die Soße übers Kinn lief.
»Donnerwetter!«, sagte June, als Doro am nächsten Tag mit Bruno in den Saal der Bergarbeiterwohlfahrt von Askern trat.
Im Raum wurde es still, als zwanzig Frauen die Hände ruhen ließen und den Neuankömmling anstarrten.
»Komm rein, Herzchen! Nur nicht schüchtern! Wir beißen schon nicht. Jedenfalls nicht vor dem Abendessen.«
Bruno lächelte unschuldig.
Janey flüsterte Doro zu: »Spricht er Englisch, Liebes?«
June flüsterte: »Spricht er die Sprache der Liebe?«
Leider musste Doro am Nachmittag unterrichten, so dass sie nicht lange bleiben konnte. Bruno kam mehrere Stunden später nach Hause und zog sich die Jeans zurecht, als er durch die Tür taumelte, das Gesicht übersät von roten Flecken.
»Wie war das Kochen?«, fragte Moira schmollend.
»Zutaten waren schlecht.« Er klang erschöpft. »Es ist Katastrophe, dass britische Massen Diät von solche Verarmung haben.«
»Wie hast du dich mit den Frauen der Bergarbeiter verstanden?«, fragte Doro.
»Diese proletarische Frauen haben starkes ... wie soll ich sagen ...?« Er suchte nach Worten. »... Klassenbewusstsein.«
Die Sache mit dem Klassenbewusstsein beschäftigte Doro tagelang. Wenn das das Geheimnis war, gab es für sie keine Hoffnung, sagte sie sich traurig und ertränkte ihre Enttäuschung im Seifenwasser, als sie das Frühstücksgeschirr spülte. Es ließ sich nicht mehr ändern, dass sie durch und durch zur Mittelschicht gehörte. Andererseits galt dasselbe für Moira. Es galt für sie alle, für ihre Gedanken, ihre Gewohnheiten, ihren Geschmack und ihre Vorlieben. Die Tatsache, dass sie sich in die Streikpostenkette einreihten, änderte daran keinen Deut. Trug etwa eine der Frauen aus der Suppenküche Latzhosen, las George Eliot oder aß vegetarische Pampe? Obwohl sie seit fünfzehn Jahren am Rand dieser Arbeitergemeinde lebten, waren sie kaum mit ihnen in Berührung gekommen. Als Doro mit dem Spülen fertig war, rauchte sie einen Joint und grübelte über die Ungerechtigkeit des Klassensystems nach, das ihr plötzlich jede Möglichkeit auf Glück zu nehmen schien.
»Warum bist du traurig, schönste compagna ?« Bruno legte den Arm um ihre Schulter.
»Oh! Ich bin ...«, ihre Augen füllten sich mit Tränen, »... ich habe nur gerade über die Ungerechtigkeit ...«, ein Schluchzer brach aus ihrer Brust, »... des Klassensystems nachgedacht.«
»Weine nicht, mein noble Gefährtin. Natürlich ist ungerecht. Aber deshalb führen wir Kampf, oder?«
Seine flaumige Wange lag an ihrer, seine warmen Hände erkundeten ihre Bluse.
»Ja!«
»Pessimismus des Geistes und Optimismus des Willens?«
»Ja!«
Doro lernte noch eine Menge über Klassenbewusstsein und Kampf an jenem Tag. Und es steigerte ihr Vergnügen noch, als sie danach Moira in die Arme lief, die beleidigt aus dem Badezimmer kam.
Manchmal schlief Bruno mit Doro (die auch mit Marcus schlief, der nichts davon wusste), und manchmal schlief er mit Moira (die auch mit Nick Holliday und dem roten Fred schlief, die davon wussten), und manchmal kam er zu erschöpft aus der Suppenküche zurück, um irgendwas zu tun, außer zu schlafen. Doch eines Abends kam er von der Suppenküche nach Hause und hatte eine junge Frau dabei.
»Das ist Megan.«
Er stellte sie der Gruppe vor und zählte alle Namen für sie auf.
»Hallo.« Ohne zu lächeln blickte sie mit gesenktem Kopf auf und klebte an Bruno wie ein Schatten.
Zuerst empfand Doro Megan nicht als Bedrohung. Sie war nicht hübsch – zumindest nicht auf die herkömmliche Art –, sie hatte einen dünnen, kantigen Körper mit schweren Brüsten, langes dunkles Haar und wachsame graugrüne Augen. Sie bewegte sich lautlos wie eine Katze und redete kaum ein Wort. Selbst heute, nach all den Jahren, kann Doro nicht sagen, was für ein Mensch Megan eigentlich war. Doro kann sich gut an den Abend erinnern, als Bruno sie in die Kommune brachte. Sie schaudert.
Es war mitten im tiefsten Winter, dem langen bitteren Winter von 1984/85, und es war seltsam, erinnert sie sich, dass Megan gar nichts dabeihatte, nicht einmal einen Mantel. Bruno erklärte, sie sei vor einem brutalen Ehemann, einem Streikbrecher, geflohen. Die Kommune hieß sie ohne Fragen willkommen, richtete ihr ein Bett in Moiras Atelier im Anbau ein, und die Frauen liehen ihr die Kleider, die sie brauchte.
Es stellte sich heraus, dass Megan einen Sohn
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