Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
selbst bewiesen, dass er es kann. Und er ist nicht habgierig. Sobald er seine Million gemacht hat (oder zwei, mit einer Million kommt man heutzutage nicht mehr weit), wird er der City den Rücken kehren. Er wird nach Brasilien gehen, in einem Haus am Strand leben und sich wieder ganz der Mathematik widmen.
Dieser Plan existiert in seinem Kopf, seit er bei der FATCA ist, und mit jedem Deal nimmt er deutlichere Formen an. Er wird einen Bestseller schreiben, in dem er die Fakten über die Tricks und Betrügereien der City verrät. Er wird großzügig für progressive Zwecke spenden, um Marcus und Doro zu versöhnen. Er wird seiner Mutter ein paar anständige Outfits kaufen. Er wird an der Schule seiner Schwester einen Preis für die kleinen Ganoven stiften. Er wird Gedichte schreiben. Er wird Prinzessin Maroushka heiraten und sie aus diesem hohlen Leben der statistischen Prostitution erretten, indem er sie ins Reich der reinen Mathematik entführt. Eigentlich hat ihm das Restaurant mit dieser unsauberen Rechnung (die immer noch nicht richtiggestellt wurde, trotz seiner zahlreichen Anrufe) einen Gefallen getan, denn das hat ihm den Anstoß gegeben, seine Optionen kreativer zu betrachten. Und Otto mit seinem Hypothekenproblem – er war so überschwänglich dankbar, dass Serge es nicht übers Herz brachte, ihm zu sagen, wie egal es ihm ist, wann er es ihm zurückzahlt.
In dem Jahr, seit er hier arbeitet, ist ein ständiger Strom von Menschen an ihm vorbeigezogen, Gesichter, die auftauchen, lächeln, eine Weile Freunde werden, oder zumindest Trinkkumpane, dann spurlos wieder verschwinden, fortgeschwemmt wieTreibgut vom Passatwind des Handels. Was ist mit denen passiert, die man nicht mehr sieht? Mit denen, die den Anforderungen nicht gerecht wurden oder die bei irgendwas erwischt wurden, das sie nicht hätten tun dürfen, oder die es schafften, sich zu befreien – wo sind sie jetzt? Einen oder zwei Tage bleibt der Schreibtisch leer, dann sitzt ein neues Gesicht dort, frisch geschrubbt, unbeschrieben, willig, zu lernen und Geld zu scheffeln, so wie er selbst vor einem Jahr. Sie werden morgen da sein und übermorgen, bis zum Ende des Monats und zum Ende des Jahres, und wie viele Jahre noch? Er muss jetzt anfangen, seinen Abgang zu planen.
Um ihn herum herrscht Hysterie, die Trader platzieren ihre Deals in der Spitzenzeit, bevor die Börse schließt. Der Lärm schwillt an und ab wie Ebbe und Flut. Er konzentriert sich auf die Datensäulen auf den Monitoren und sucht nach den Fibonacci-Retracements. Doch die Zahlen wollen nicht stillhalten. Die Graphen tanzen wie Seegras in den unaufhörlichen Strömungen des Welthandels. Die Indizes pulsieren wie satte Mollusken. Profite steigen und fallen und steigen wieder mit den Gezeiten der Weltmärkte, die endlos von den breiten Strömen menschlicher Anstrengung gefüttert werden: 61,8 vor, 38,2 zurück. Phi. Der goldene Schnitt.
Clara
Benzin
Clara schlängelt sich auf dem Heimweg im Nieselregen durch die schäbigen Vororte von Doncaster und muss durch einen grauen Schleier spähen, der die Windschutzscheibe verschmiert, weil das Wasser in der Scheibenwaschanlage leer ist und sie nicht weiß, wie man es nachfüllt. Erst als sie auf der Schnellstraße zur Autobahn hält, um zu tanken, bemerkt sie, dass das Portemonnaie aus ihrer Handtasche fehlt. Der Mann an der Kasse, ein braungebrannter Kerl mit einer Goldkette um den Hals, reagiert nicht besonders verständnisvoll, als sie erklärt, dass sie weder Bargeld noch eine Karte hat. Er droht damit, die Polizei zu rufen.
»Schön, rufen Sie die Polizei«, zischt Clara. »Dann muss ich es nicht selber tun.«
»Die Leute hier haben keinen Respekt.«
»Respekt wovor?«
»Respekt vor Privateigentum. Alles Wohlfahrtsschmarotzer und Drückeberger mit faulen Ausreden.«
»Was meinen Sie mit Drückeberger?«
»Leute wie Sie«, sagt er.
»Früher waren das alles Bergleute und Stahlarbeiter, und wessen Schuld ist die jetzige Situation?«
»Meine nicht«, sagt der Tankstellenmann. »Ich arbeite hier nur.«
Dann entdeckt sie vor dem Tankstellenhäuschen neben denregennassen Säcken mit dem Feuerholz und einem Eimer mit welken Nelken, die lächerlicherweise als »frische Schnittblumen« angepriesen sind, eine Kiste mit Topfpflanzen. Baumsetzlinge, um genau zu sein. Ein paar davon haben noch die Etiketten mit Doros Handschrift. Sie sind im Angebot für £ 5 das Stück.
»Wo haben Sie die her?«
»Keine Ahnung. Zahlen Sie jetzt oder
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