Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
fertig und fange jetzt mit der Rolle der Frauenbewegung an.« Sein Blick hellt sich auf.
»Mhm.« Sie richtet sich auf und versucht interessiert zu wirken, aber in Gedanken ist sie noch bei dem Gespräch mit dem Sozialarbeiter, besonders den Stellen, wo sie etwas anderes hätte sagen sollen.
»Mir wird langsam klar, wie wichtig der Feminismus in der Geschichte unserer Bewegung ist.« Er sieht Doro an, und seine Augen werden weich. »Vielleicht könntest du das Kapitel schreiben, Liebes. Aus der Frauenperspektive.«
Doro versucht an Feminismus zu denken, aber das einzige Bild, das ihr in den Sinn kommt, ist eine Handvoll von Moira Laffertys rotbraunem Haar in ihrer Faust. Sie greift nach seiner Hand und drückt sie – sie weiß, dass ihr hier eine große Ehre zuteil wird, aber das frühere Gefühl der Erschöpfung und der Wut klebt wie kalter Porridge an ihrem Herzen.
»Schreib du es, Lieber. Du weißt viel besser Bescheid als ich.«
Er wandert durch die Küche und setzt Wasser auf. »Wie ist es mit dem Sozialarbeiter gelaufen?«
Doro versetzt dem Stuhl, auf dem Mr. Clements gesessen hat, einen trotzigen Tritt. »Er will Oolie unbedingt in dieses verdammte Wohnprojekt reinkriegen. Er wird reden und reden, bis er sich durchsetzt.«
»Weißt du, es ist vielleicht gar keine so schlechte Idee, Liebes.«
Er fischt in seiner Tasse nach dem untergegangenen Teebeutel und drückt ihn zwischen den Fingern aus.
»Hast du vergessen, wie sie von den Kindern mit Steinen beworfen wurde, Marcus? Hast du den Brand vergessen? Sie ist viel zu verletzlich. Nein.«
Was sie nicht sagt, ist, dass in all dem Chaos, den Freuden und Enttäuschungen der Kommune Oolie ihr persönlicher Überraschungserfolg ist, mehr als Clara und Serge – Oolie ist der unstete funkelnde Stern, der über jenen Jahren leuchtet.
Serge
Die Gauß-Copula
Als Serge endlich in die Behindertentoilette kann, um seine Stoporder zu erteilen, ist er schon mit 40 000 Pfund im Minus.
Er kehrt an seinen Platz zurück und angesichts der Größenordnung seiner Verluste steigt Panik in ihm auf. Doch die kleine braune Kakerlake, die alles richten wird, ist sicher in seiner Hosentasche verwahrt. Zu Hause wird er sie auf seine Festplatte kopieren. Je länger er darüber nachdenkt, desto mehr Zeichen sieht er: die Mersenne-Primzahl; der verrückte Tango der Märkte; die Kakerlakenkapsel der Informationen. Alles muss irgendwie zusammenhängen.
Er glaubt nicht an Schicksal oder Karma oder sonst einen metaphysischen Hokuspokus – die Kommune hat ihn gegen all das immunisiert –, das Einzige, woran er glaubt, sind Muster. Er hat sie mit eigenen Augen gesehen, komplizierte, wunderschöne Muster, die sich aus scheinbar willkürlichen Ereignissen zusammensetzen. Er weiß, dass der Zufall selten so beliebig ist, wie er scheint – der Zufall und sein naher Verwandter, das Risiko.
Wie hoch ist das Risiko, dass Chicken zurückkommt und nach seinem verlorenen Memory-Stick sucht? Wie hoch ist das Risiko, dass er dahinterkommt, wenn Serge die Daten herunterlädt? Kann Serge die Risiken senken, indem er ein Täuschungsmanöver anwendet und den Stick in der Nähe eines anderen Schreibtischs platziert? Oder ist es das Beste, daraufzu setzen, dass Chicken überhaupt nichts mitbekommt? Es gibt eine Formel, die solche komplexen Risiken berechnet. Es ist die Gauß-Copula, heiß geliebt von den Derivateanalysten.
Pr[T A <1, T B <1]= φ 2 (φ -1 (F A (1)), φ -1 (F B (1)),γ)
Wenn er an die Copula denkt, muss er an Kopulation denken, und seine Gedanken wandern zu Maroushka. Die Chance, dass sie zusammen im Bett landen, liegt schätzungsweise bei fünfzig Prozent. Aber wenn Maroushka mit ihm im Bett landet, dann beträgt die Chance, dass er mit ihr im Bett landet, hundert Prozent. Wenn Maroushka dagegen mit Chicken im Bett landet, ist Serges Chance massiv vermindert, wenn auch nicht ganz bei null (es besteht immer die Möglichkeit einer Ménage à trois, wobei die Vorstellung einer Ménage à trois mit Maroushka und Chicken ziemlich furchterregend ist). Das Risiko, dass zwei Menschen in einem Bett vom Blitz getroffen werden, ist winzig klein. Wenn aber einer von beiden vom Blitz getroffen wird, steigt das Risiko des anderen im selben Bett, ebenfalls vom Blitz getroffen zu werden, auf 99 Prozent an, während das Risiko für einen dritten, der einsam in einem Bett woanders liegt, praktisch immer bei null liegt. Dagegen bleibt, wenn einer der beiden im Bett einen Herzinfarkt hat, das
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