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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Boden unter dem Dach. Sie balgen sich um die Sachen, zerren daran. Wenn er verliert,muss er etwas zu Kleines, zu Mädchenhaftes oder einfach zu Peinliches zur Schule tragen. Sein Puls rast. Am Ende steht er mit einer gehäkelten regenbogenfarbenen Weste da. Vor Scham und Grauen kriegt er Bauchweh. Sein Kopf fühlt sich an wie mit Zement gefüllt.
    Dann macht der Traum einen Sprung, es ist Nachmittag und sie warten am Schultor. Es wird spät. Niemand kommt, um sie abzuholen, also übernimmt Clara die Führung. »Kommt! Mir nach!«
    Sie geht in die Dämmerung voran und singt das Lied von den schlummernden Amseln. Der Weg ist lang und gewunden und von dunklen Koniferen überschattet. Clara fängt zu rennen an, und er rennt hinterher. Sein Herz klopft wild: bumm, bumm, bumm! Sein Atem ist schnell und flach. Als sie zu Hause ankommen, ist alles dunkel, und im Flur steht der Mann vom Elektrizitätswerk und sagt ihnen, dass der Strom abgestellt worden ist. Die Tante von irgendwem weint unten an der Treppe. Die Großen sind alle verschwunden. Dann macht er die Wohnzimmertür auf, und da sind sie alle, liegen auf dem Boden, tot. Serge fängt laut zu heulen an, und Doro setzt sich auf und lächelt.
    »Wir haben nur gespielt, dass wir tot sind, Schätzchen. Die holländischen Situationisten sind da.«
    Dann stehen alle auf und reden und lachen durcheinander.
    Er reibt sich die Augen. War das ein Traum oder ist es wirklich passiert?
    Dusche, Kaffee, Fußmarsch, U-Bahn, Fußmarsch, Büro, hallo Team, hallo Maroushka.
    Eine Stunde später sitzt er mit den sechs anderen Quants im Morgenmeeting. Sein Kopf fühlt sich jetzt an, als sei er voller Styropor statt Zement, es geht also aufwärts.
    Mittags beugt sich Maroushka über seinen Tisch. Sie trägt ein gelbes Jackett zu einem sehr kurzen cremeweißen Leinenkleidund Slingpumps, mit deren Absätzen man kleine Kätzchen erdolchen könnte.
    »Kommst du gleich mit zu Lunch, Serge?«
    »Ja. Nein. Tut mir leid, Maroushka. Ich muss ... zum Zahnarzt.«
    »Ojojoj! Viel Glück!«
    Seine Mutter weiß gar nicht, welche Opfer sie von ihm verlangt. Sie hat keine Ahnung, dass es schon Probleme geben kann, wenn er sich nur für zwei Stunden von seinem Arbeitsplatz wegschleicht, um Kaffee trinken zu gehen. Das Gebäude der FATCA ist eine autarke Welt, in der die Angestellten nicht nur arbeiten, sondern wo sie auch soziale Kontakte pflegen, im Fitnessstudio trainieren, zum Friseur gehen, einkaufen können, vom Nötigsten bis zu kleinen teuren Geschenken, in der Cafeteria essen oder, was heutzutage immer häufiger der Fall zu sein scheint, am Computer ein Sandwich hinunterschlingen – mit anderen Worten, es gibt keinen Grund, tagsüber das Gebäude zu verlassen.
    Serge und Doro treffen sich am ersten Dienstag im September 2008 im Café Rouge gegenüber von St. Paul’s, weil Doro sich weigert, zu Starbucks zu gehen, das, wie sie erklärt, ein Außenposten des amerikanischen Imperialismus ist. Er spart sich den Kommentar, dass das Café Rouge eine hundertprozentige Tochter der Whitbread Plc. ist. Sonst würden sie auf der Suche nach einem passenden Café den ganzen Nachmittag herumlaufen.
    Es ist immer noch heiß, und auf dem Platz um St. Paul’s drängeln sich schlecht angezogene Touristen, die sich gegenseitig anrempeln, während sie durch den Kamerasucher die große, goldene, von Wren entworfene Kuppel betrachten, die oben vor dem himmelblauen Himmel leuchtet. Sie sehen nicht, dass es eine Illusion ist – in Wirklichkeit sind es zwei Kuppeln, die im Innern von einem konischen Steinaufbau gestützt werden. Würde er das erwähnen, würde Doro wahrscheinlich sagen, esist wie das vergoldete Gebäude des Kapitalismus, das von der unsichtbaren Arbeit der Massen getragen wird.
    Leider ist auch Doro schrecklich angezogen, was schade ist, denn sie ist eine gutaussehende Frau – groß, immer noch schlank, mit dunklem welligem, von nur wenigen grauen Strähnen durchzogenem Haar und straffer Haut. Aber niemand über vierzig sollte einen paillettenbesetzten Jeans-Zigeunerrock tragen – beziehungsweise überhaupt niemand, ganz gleich wie alt. Und die grüne Leinenjacke ist vielleicht in ihrer Glanzzeit ganz schick gewesen, aber das ist mindestens zwanzig Jahre her. Serge hat nichts gegen Retro-Mode, solange sie mit Ironie getragen wird, aber er befürchtet, dass seine Mutter ihre Klamotten wirklich ernst meint.
    »Ich habe aufregende Neuigkeiten, Serge.« Sie beugt sich über den Tisch, wobei sie

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