Die Werwolf-Elite
Vornübergebeugt hockte Brassow am Lenkrad. Hart hielt er es umklammert. Er hatte die Lippen zusammengepreßt, so daß sie nur einen Strich bildeten.
Und er spürte die innere Unruhe. Ja, sie war da. Je mehr sich die Uhrzeiger der Tageswende näherten, desto größer wurde sie. Er fühlte das Kribbeln, sein Blut schien eine andere Zusammensetzung zu haben. Es rauschte, es lief schneller durch die Adern und brauste in seinem Kopf. Bald mußte er es geschafft haben! Da war die Lichtung!
Er brach durch das letzte Buschwerk und stoppte den Wagen dicht neben den beiden vom Sturm gefällten Bäumen, die ein querliegendes Hindernis gebildet hatten. Er stieg aus.
Stille umgab ihn. Der Motor knackte noch ein paarmal, und auch das Blech schien zu stöhnen, als Brassow dagegen drückte, dann war er allein mit seinen Gedanken. Er hockte sich zu Boden.
Automatisch legte er den Kopf in den Nacken und schaute hoch. Am Himmel stand der Mond. Oleg hatte sich so gesetzt, daß er einen möglichst großen Ausschnitt von ihm sehen konnte, und an diesem Tage wirkte er besonders groß und voll.
Eine gewaltige Kugel, gelb, fahl und doch voller Kraft. Für ihn genau richtig.
Wann kam Lupina?
Er schaute auf seine Uhr. Es waren nur noch wenige Minuten bis Mitternacht, die Verwandlung mußte bald eintreten. Brassow spürte schon das Jucken, den unheimlichen Drang, und seine Haare auf den Handrücken stellten sich hoch. Er riß seinen Mund auf.
Das Heulen drang schaurig hervor. Er war nicht mehr in der Lage, menschliche Laute auszustoßen, sondern heulte den Mond an, wobei er sich auf den Boden warf, Arme und Beine anzog, sie wieder von sich stieß, zuckte und sich um die eigene Achse drehte, wobei er mit den Händen auf den Boden schlug, dicke Grasbüschel hervorriß und sie dann von sich schleuderte. Das Tier in ihm war nicht mehr aufzuhalten. Sein Gesicht hatte sich schon verändert. Der Mund war zu einer Wolfsschnauze geworden, beide Kiefer klafften auf. Die Zähne wirkten wie eine Reihe von gelbweißen Messerspitzen, zwischen denen der Geifer tropfte und sogar lange Fäden zog. Er schleuderte sich seine Kleidung vom Körper, schrie, heulte, schluchzte und keuchte.
Plötzlich sprang er auf. Nicht mehr als Mensch.
Ein gewaltiger Werwolf stand auf der Lichtung. Dicht behaart, ein dickes, schimmerndes Fell und ein gefährliches Maul. »So ist es gut, mein Lieber«, hörte er plötzlich eine Stimme. Brassow fuhr herum - und sah Lupina!
***
Sie stand dort, wo sie zwischen zwei Birkenstämmen Platz gefunden hatte, und sie war wirklich eine imposante Erscheinung. Das blonde Haar leuchtete im Mondlicht und fiel ihr bis auf die Schultern, wo es das glatte seidig schimmernde Fell berührte. Das Gesicht war das eines Menschen. Die Augen, leicht schräggestellt, wirkten kühl und wachsam.
Die Lippen waren zu einem spöttischen Lächeln verzogen, und obwohl Oleg Brassow sie an Körpergröße weit übertraf, hatte er doch Respekt vor ihr. Er spürte den Strom, der von ihr ausging und ihn traf. Das war nicht wie bei anderen Werwölfen, dahinter steckte mehr. Macht, ein unbändiger Wille, Einfluß und die Fähigkeit zu befehlen und zu regieren über ein Heer von Bestien. Sie war nicht allein gekommen. Hinter ihr stand noch ein Werwolf, der sie ebenfalls überragte und fast Brassows Größe hatte.
In den Händen hielt Lupina einen Würfel, aus dem feine Nebelschwaden stiegen.
Lächelnd kam sie näher und blieb dort stehen, wo das Mondlicht die Lichtung traf. Auch sie badete sich in dem Schein, und ihre Augen funkelten gelblich grün.
»Du bist Oleg Brassow?« sprach sie den Lagerchef an.
»Ja.«
»Und du hast auf mich gewartet?«
»Ja, Königin.« Er sprach sehr demutsvoll, denn er wußte genau, daß sie mächtiger war als er.
»Hast du meinen Auftrag ausgeführt?«
»Ich habe diesen Agenten gefaßt, gebissen und dafür gesorgt, daß der Keim in ihm steckenblieb.«
»Du hast ihn also nicht getötet?«
»Nein, ich habe mich an deine Anweisung gehalten, die du mir telepathisch mitgeteilt hast.«
»Das ist gut, Oleg. Ich sehe, daß ich mich auf dich verlassen kann.« Sie lächelte plötzlich und drehte den Kopf. »Dann darf ich dir unseren Helfer vorstellen. Das ist Rock Dale. Er kommt aus Kanada. Wie du hat auch er meinen Ruf erhalten und ist ihm gefolgt. Wir drei werden eine ungeheure Macht erreichen. Das Lager mit den Gefangenen steht zu unserer Verfügung?«
»Es ist alles vorbereitet.«
Lupina lachte. »Sie werden unsere
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