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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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Nacht war Laima dankbar über die angenehme Behaglichkeit des Gaskochers. Sie hatte sich in ihren Thermoschlafsack verkrochen. Das Brausen in ihrem Ohren, das der Sturm hervorgerufen hatte, ließ langsam nach. Draußen fegte der Wind weiter über die Bergkuppe und rüttelte an der Zeltplane.
    Sie hatten es gerade, kurz unterhalb des Passes, auf die andre Seite geschafft. Ihre Gedanken wanderten zu den Bildern der letzten Nacht. Das brennende Zelt, die Kinder, die Gestalt, die hinaushuschte. Es war Sam gewesen. War er es auch, der den Anschlag verübt hatte?
    Die Suppe war weniger scheußlich, als sie es sich vorgestellt hatte. Und mit dem Trockenfleisch geradezu ein Genuss. Sie spürte all ihre Knochen im Leib, nach dem Tag und der Nacht, die sie hinter sich hatte.
    Dann rüttelte etwas an ihrem Zelt, das bestimmt nicht der Wind war. Ihr Herz schlug schneller. Der Reißverschluss öffnete sich.
    Thian reichte ihr eine große Tasse Buttertee herein. Mit einem kurzen Nicken, das sie reflexartig erwiderte, verabschiedete er sich eilig. Ein paar Schneeflocken fielen in den Tee und lösten sich darin auf, während sie das Zelt wieder schloss.
    Der Tee ließ sie an ihren Traum mit Chang denken. War sie romantisch? Oder war sie im Herzen immer ein kleines Mädchen geblieben, das so naiv war, an die eine große Liebe zu glauben? Warum weigerte sie sich, der Realität ins Auge zu sehen? Es gab diese Liebe nicht! Sie hatte es bei ihren Eltern erlebt. Sie hatte es mit Tooms erlebt. Aber vielleicht sehnte sie sich gerade deshalb so sehr danach? Nach dem, was es nicht zu geben schien.
    Der Buttertee breitete sich als wohlige Wärme in ihr aus und entspannte sie so sehr, dass der Schlaf sie übermannte. Sie löschte den Kocher aus und wickelte sich wie eine Raupe in einen Kokon. Das Märchen vom Buttertee hatte sie berührt. Und wenn etwas das Herz berührte, konnte es dann falsch sein?
     
    Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war es stockfinster und sie dachte, es sei immer noch mitten in der Nacht. Dann verstand sie, dass ihr Zelt gänzlich eingeschneit war. Als sie es geschafft hatte, den Reißverschluss zu öffnen, fing sie an, sich durch die weiße Wand nach oben zu graben. Sie konnte gerade stehen. Ihr Kopf ragte aus dem Schnee. Es war aber nur eine Verwehung, die sich vor ihrem Zelteingang gebildet hatte. Als sie es aus ihrem Zelt geschafft hatte, ging der Schnee ihr gerade bis zu den Knien. Das Laufen war schwer, aber nicht unmöglich.
    Sie stapfte durch den Schnee und hielt Ausschau nach den anderen Zelten. Alles war versunken. Die Zelte waren lediglich als kleine Buckel in der Landschaft zu erahnen. Sie ließ ihren Blick über das makellose Weiß gleiten.
    Ein Fleck aus hellem Rot zog unweigerlich ihre Aufmerksamkeit auf sich. Einige Yaks standen eingeschneit und unbeweglich herum. Sie stapfte auf dem Punkt zu, der ihr Interesse geweckt hatte.
     
     
     

19
     
    Die Stelle im Schnee war tief und groß. Ihre roten Ränder hatten sich mit Blut vollgesogen. Dann sah sie es. Das große Tier war tot. Die Bauchdecke des Yaks war aufgerissen. Seine Eingeweide quollen heraus. Die Zunge hing schlaff aus dem Maul.
    Sofort waren die Bilder der zwei toten Männer bei Bione da. Der Dropaolat. Zerfetzt, zerfleischt und von Geiern zerteilt. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Was war es, das sie verfolgte? Was wollte es? Wann würde es sie selbst erwischen? War es noch in ihrer Nähe? Sie sah sich um. Spuren gab es keine.
    Sie sah, wie Gerold von Stein seinen Kopf aus dem Schnee reckte.
    „Schnell, kommen sie“, rief sie. „Es hat wieder zugeschlagen!“
    Mühsam kämpfte er sich zu ihr.
    „O Gott! Ist es wieder da? Ist es das, was wir glauben?“
    „Ich denke schon“, sagte Laima.
    „Der Kadaver ist kaum angerührt. Ging es wieder bloß ums Töten?“
    „Aber mit welcher Absicht? Und wenn es darum ginge, uns zu erwischen, hätte es doch mehr als genug Gelegenheiten dazu gegeben“, sagte Laima.
    Er zuckte mit den Schultern. Dann streckte Tsin seinen Kopf ans Tageslicht. Intuitiv spürte er, dass etwas nicht in Ordnung war. Er stolperte durch den Schnee. Dann blieb er wie angewurzelt stehen, als er das tote Yak sah.
    Thian und die anderen kamen.
    „Was ist los?“
    Tsin redete auf Thian ein.
    „Tsin sagt, ein Wolf habe das Yak heute Nacht angefallen“, sagte von Stein.
    „Das war doch kein Wolf“, sagte Sam.
    „Was weißt du schon von Wölfen. Könntest ihn wahrscheinlich nicht mal von einer Kuh unterscheiden,

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