Die Wesen (German Edition)
Boden“, sagte von Stein. „Ich vermute, sie diente als Abdeckung und ist im Laufe der Zeit eingebrochen.“
„Das heißt, dies ist ein Teil des Tempels, der verborgen bleiben sollte?“
„Das nehme ich an.“
„Was war das?“, fragte Schüssli.
„Was?“
„Habt ihr das auch gehört?“
„Du hörst doch die Flöhe husten“, sagte Slinkssons.
„Nein, da war was. Ein Kratzen. Oben in der Haupthalle.“
„Weiter! Mach kein Theater“, sagte von Stein.
„Hier wird es jetzt aber dunkel!“
„Dafür haben wir unsere Taschenlampen.“
„Was ist das dort an der Wand?“, fragte Schüssli.
„Ein bärtiger Mann mit Fischleib und Fischmaul auf dem Kopf, in einer riesigen Blase.“
„Ein Meerjungmann?“, grinst Slinkssons.
„Sieht ein bisschen aus, als habe der Fisch ihn verschluckt.“
„Das ist Dogon“, sagte Laima, „auch als Gott der Fruchtbarkeit bekannt. In der Bibel auch Dagan oder Dagon genannt. Er ist der Vater aller Götter.“
„Was sind das dort für Kisten?“
„Das sind keine Kisten“, sagte Professor Carlsen. „Das sind Sarkophage.“
„Aber die sind klein. Wie für Kinder“, sagte Laima.
„Machen wir sie auf!“, sagte von Stein.
„Nein!“, sagte Schüssli.
„Los! Pack gefälligst mit an!“, sagte von Stein zu ihm.
„Ich bin Ingenieur und kein Leichengräber“, sagte Schüssli. „Ich glaube nicht, dass so etwas in meinem Arbeitsvertrag steht.“
„Da steht noch was ganz andres im Kleingedruckten. Und zwar, dass ich dich bei Befehlsverweigerung lebendig einmauern darf. Und das werde ich auch mit Freuden tun, wenn du nicht gleich den Deckel mit abnimmst.“
Widerwillig hob Schüssli mit ihm die Steinplatte zur Seite.
„O je!“
„Meine Güte“, sagte Professor Carlsen und wich zurück. „Ist das ein Kind?“
Er beugte sich näher hinunter und schob seine Brille auf der Nase vor und zurück.
„Also von der Länge des Körpers her, würde ich sagen ja“, antwortete von Stein. „Aber irgendwie auch nicht.“
„Ich glaube es könnte ein Affe sein. Ein Schimpanse vielleicht?“, sagte Schüssli.
„Dafür stimmt der Knochenbau nicht mit dem eines Primaten überein“, sagte Slinkssons. „Affen haben die Rippen in einer A-förmigen Anordnung, das heißt, der Brustkorb ist oben schmal und unten breit.“
„Aber Schimpansen haben doch breitere Schultern als wir“, sagte Schüssli. „Sie brauchen doch viel mehr Kraft in den Armen.“
„Das stimmt. Deswegen haben sie auch einen oben schmaleren Brustkorb. Sie brauchen dort mehr Muskeln. Der Mensch hat einen V-förmigen Brustkorb, ist also genau umgekehrt gebaut.“
„Und warum sollten die Dropa oder ihre Vorfahren hier Affen bestatten?“, sagte Sam.
„Vielleicht ist es das fehlende Puzzleteil der Evolution. Das Bindeglied in der Entwicklung des Affen zum Menschen“, sagte Schüssli.
„Zwischen Affe und Mensch“, sagte Slinkssons. „Hast du dir mal selber zugehört?“
„Aber der Mensch stammt doch vom Affen ab!“, sagte Schüssli.
„Du musst nicht immer alles ungefragt nachplappern, was man dir mal in den Kopf getrichtert hat. Jeder sieht doch auf den ersten Blick, dass zwischen dem Skelett eines Affen und dem des Menschen ein riesiger Unterschied besteht. Als Erstes der Brustkorb, der vollkommen gegenläufig aufgebaut ist. Als Zweites die überlangen Oberarmknochen. Frühere Wissenschaftler haben sie sogar oft gegen Menschenknochen ausgetauscht, um diesen Unterschied bei ihren Funden sogenannter Vorzeitmenschen zu verschleiern, damit sie in das Bild der Evolutionstheorie passen. Selbst wenn du einen noch so menschenähnlichen Affen nimmst, sind die nötigen Entwicklungsschritte zum Menschen nicht einer oder zwei, oder fünf. Es wären mindestens hundertzwanzig nötig. Das heißt, es müsste nicht das berühmte eine fehlende Bindeglied gefunden werden, sondern hundertundzwanzig Stück! Da könnten wir eher noch vom Delfin abstammen als vom Affen.“
„Aber die genetische Ähnlichkeit. Die Genverwandtschaft? Achtundneunzig Prozent waren es doch.“
„Dazu muss man sich erst einmal mit Genetik befassen. Welchen Aussagewert haben die Aminosäuresequenzen? Welche Eiweiße werden verglichen? Unsere Gene sind zu sechsundneunzig Prozent mit dem Hausschwein identisch. Wenn ich Sam ansehe, glaube ich das zwar sofort, aber wir stimmen laut Genetik auch zu neunundneunzig Prozent mit der Musca domestica überein. Auch die Gemeine Stubenfliege genannt. Was sagt uns das?“
„Das kann ich
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