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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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nervös wirkte.
    „Gerold, fragen sie doch Thian, ob er irgendetwas über diese Tempel weiß“, sagte sie.
    Thian sah sie sofort skeptisch an, noch bevor Gerold von Stein übersetzt hatte. Thian verneinte. Er gab sich jetzt Mühe, seine Unsicherheit nicht weiter zu zeigen.
    „Dann würde ich vorschlagen, wir sehen uns die Anlage mal genauer an“, schlug von Stein vor. „Dawei!“, sagte er auf Russisch.
    Thian blieb stehen und sagte etwas zu von Stein.
    „Will noch jemand hierbleiben?“, fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten: „Alle oder keiner! Entweder gehen wir zusammen oder wir bleiben alle hier bei den Booten und dem Equipment.“
    Er blickte in die Runde.
    „Dann alle. Dawei, Thian!“
    Sie nahmen noch ein Seil und Klettergeschirr mit, mehrere Lampen und Wasser. Von Stein kramte einen Computer und ein GPS-Gerät aus seiner Ausrüstung. Dann gingen sie los.
    Die Bäume bildeten ein dichtes Blätterdach, in dem scharenweise Vögel die seltsamsten Schreie von sich gaben.
    „Man könnte denken, wir seien im Zoo“, sagte Sam.
    „Auf dieser Seite des Himalaya haben wir normalerweise kein subtropisches Klima“, sagte von Stein. „Sehen sie die Affen dort?“
    „Tatsächlich.“
    Eine Horde kleiner Affen rottete sich aus den umliegenden Bäumen zusammen, um die Neuankömmlinge unter großem Gekreische zu bestaunen.
    „Zum Glück gibt es hier kein Buschwerk im Unterholz“, sagte Slinkssons.
    Es dauerte trotzdem eine ganze Weile, bis sie die Distanz zur Stirnseite in der Tiefe des Tals zurückgelegt hatten. Dann stießen sie auf die senkrechte Felswand.
    „Wie hoch das ist?“, sagte Schüssli.
    Sam hatte nach seinem letzten Streit mit ihm, die bissigen Kommentare eingestellt. Zumindest vorerst. Es war allen klar, dass Schüssli jeder Stuhl zu hoch war, auch wenn er es tapfer über die letzten Etappen geschafft hatte. Gegen seine Höhenangst, was auch immer sie ausgelöst hatte, waren er und sie machtlos. Sie stellte sich hartnäckig immer wieder aufs Neue ein.
    „Dort“, sagte Schüssli auf einmal und zeigte entlang der Felswand, „eine Treppe.“
    „Wie haben die nur in dieser Höhe arbeiten können?“, fragte Slinkssons.
    „Und vor allem wieso? Wenn die eine Treppe haben, die bis hier herunter führt, zeigt das doch, dass der Fluss schon immer auf diesem Niveau verlief. Warum dann die Tempel in dieser Höhe?“
    „Als Schutz von Angreifern?“, sagte Laima.
    Sie bewegten sich zu den in den Felsen gearbeiteten Stufen.
    „Also ich weiß nicht“, sagte Schüssli.
    „Wenn das wieder losgeht ...“, sagte von Stein. „Alle oder keiner. Außerdem muss ich davon ausgehen, dass wenn einer unbedingt zurückbleiben will, er die Gelegenheit sucht, einen Sabotageakt zu verüben.“
    „Wollen sie damit sagen, dass ich der ...“, Schüsslis weißes Gesicht wurde dunkelrot vor Zorn. Sein karottenfarbenes Haar wirkte im Gegensatz zu seinem Gesicht geradezu blass. Er blies die Backen auf wie einen Ballon, der gleich platzen wollte.
    Dann stieß er die Luft aus und begann, trotzig stapfend, als Erster die Stufen hinaufzusteigen. Sie waren schmal und ohne Geländer. Je höher sie kamen, umso langsamer wurde Schüssli und umso mehr drückte er sich gegen die Felswand. Aber mit allen andren hinter sich und den gegen ihn erhobenen Vorwürfen quälte er sich bis ganz nach oben. Sie erreichten eine weite Plattform vor dem Säuleneingang des Tempels.
    Ihre Blicke glitten über das Tal. Die geschlossene Decke der Baumkronen wirkte wie weiches Moos. Sie sahen ihre Boote am Fluss, die wie Fremdkörper in der Wildnis wirkten.
    „Was schätzen sie, Laima, aus welcher Epoche stammen diese Bauwerke?“, fragte Professor Carlsen.
    Laima warf einen Blick auf die Steinfiguren. Es gab sie in allen Größen und Formen.
    „Sehen sie die Buddhadarstellungen? Das würde bedeuten, dass sie erst nach der Entstehung des Buddhismus datiert sein dürften. Allerdings sehen sie auch hier Darstellung von Hathoren, die auf die Göttin Hathor hinweisen, die auch im alten Ägypten verehrt wurde. Sie war als Göttin des westlichen Himmels und der Fruchtbarkeit bekannt. Sie wird mit einem Gehörn dargestellt, das eine Sonne einfasst. Charakteristisch sind auch die schmalen Flusspferd-Ohren.“
    „Wie kommt eine ägyptische Göttin hier auf einen tibetischen Tempel?“
    „Sie taucht in verschiedenen Kulturen unabhängig von einem gemeinsamen kulturellen Hintergrund auf. Ebenso wie die Pyramiden, die zwar aus Ägypten bekannt sind,

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