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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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festzuhalten.“
    „Ei, ei, ei, das sieht ziemlich blutig aus. Wie wollen sie damit klettern? Wie wollen sie so da hoch, ohne Gefühl in den Händen?“
    „Was bleibt uns übrig? Slinkssons hat recht. Bis zum Ende des Monsuns können wir kaum warten. Es wird etwas dauern, aber das werde ich schon schaffen. Erstmal seid ihr hier unten sicher.“
    „Aber wenn sie abstürzen, sind sie weg.“
    „Ich binde mir das Seil um die Hüfte. Außerdem wäre es nicht das erste Mal, dass ich Free Solo klettere. Diesmal ausnahmsweise mit Blut statt Magnesium an den Fingern.“
    Dann zog er sich die Schuhe aus und machte sich an den Aufstieg.
    Laima sah den Schmerz auf seinem Gesicht, als er sich die Wand heraufzog.
    Tritt um Tritt arbeitete er sich die senkrechte Wand empor. Er zog sich mit den Armen von einem Griff zum andren, stemmte sich mit den Beinen hoch. Trotz seiner Verletzung ging es erstaunlich schnell.
    „Die Wand könnte gute vierzig Meter hoch sein.“
    „Wenn er da von oben runterfällt und aufs Wasser aufschlägt, bleibt von ihm nicht mehr viel übrig“, sagte Slinkssons.
    „Erstmal ist es noch nicht so weit. Zweitens warum immer wieder dieser Pessimismus, mein lieber Figaro.“
    „Realismus. Es ist eine Feststellung.“
    „Ist ihnen noch nie der Gedanke gekommen, dass es Augenblicke gibt, wo ihr Realismus vielleicht fehl am Platz ist?“
    „Wenn er jetzt fällt, sind es keine fünf Meter. Das ist noch im grünen Bereich“, sagte Schüssli.
    „Will vielleicht jemand Wetten abschließen?“, sagte Sam. „Ich nehme auch auf die Meterzahl an. Je weiter, um so höher die Quote.“
    „Sie sind geschmacklos, Sam“, sagte Laima. „Wollen sie vielleicht noch auf unsren Tod wetten? Oder wer von uns es schafft und wer nicht?“
    „Oh, sie haben eine vielversprechende Quote, Laima. Sie sind zäh.“
    „Wollen sie sagen, sie haben schon auf uns gewettet?“
    „Wer weiß? Mein Buchmacher in Louisiana nimmt alles an.“
    „Dann zahle ich demjenigen fünfzig Dollar, der ihren Absturz organisiert.“
    „Das wäre unlauter. Man darf den Ausgang der Wette nicht manipulieren.“
    „Das ist mir egal. So ein Ekel.“
    „Lassen sie sich nicht ärgern, meine Liebe. So sind die Männer. Irgendwie bauen sie so ihren Stress ab. Wir sind alle gerade eben dem Tod entkommen. Jeder von uns ist in so einer Situation reizbar. Das ist völlig normal. Nehmen sie es ihm nicht übel.“
    Staub rieselte auf sie herunter.
    „Ach du Schande! Der hängt nur an einer Hand! Der wird doch jetzt nicht loslassen?“
    „Nein, er versucht, sich dort herüberzuschwingen. Er hat keinen andren Tritt gefunden. Da jetzt hat er mit seinem Zeh die Kante erwischt und zieht sich rüber.“
    Laima brach der Schweiß aus.
    „Er hat es geschafft!“
    „Ich hab zwar Kraft, aber sowas ...“, sagte Sam.
    „Sie könnten schon mit der heißen Luft zwischen ihren Ohren von ganz alleine da hochschweben wie ein Heliumballon“, sagte Laima. „Von der Luft in ihren Muskeln ganz zu schweigen. Aufgeblasener Kerl, wettet auf uns, während wir hier umkommen.“
    „He, keine Beleidigungen. Alles hartes Training. Und ganz ohne Steroide.“
    „Wers glaubt.“
    „Er hat schon fast die Hälfte geschafft. Er war mal Speedkletter-Champion in seiner Jugend“, sagte Schüssli, als wäre dies sein Verdienst gewesen.
    Laima wurde kalt. Vom Stress, der verflog. Und es fing wieder zu regnen an. Es nieselte zwar nur, aber es war wie Eis auf ihrer Haut. Sie saßen in den Booten, auf dem Strom, gefangen in einem Canyon. Eine Expedition hatte sie sich anders vorgestellt. Aber sicher nicht so.
    „Was macht er jetzt?“
    Laima hatte vom nach oben Starren einen steifen Hals.
    „Warum geht es nicht weiter?“
    „Er sucht. Sieht aus als habe er keinen Weg mehr zum Weiterklettern.“
    „Und jetzt?“
    „Er klettert wieder zurück.“
    „Er wird doch nicht wieder runterkommen?“, sagte Sam.
    „Angst um die Quote, oder vielleicht doch, dass Mister Universum seinen steroidgestählten Körper nicht mehr hier rausbekommt?“, sagte Laima.
    „Habe ja immer noch meinen Heliumballon, wenn alle andren schon untergehen.“
    „Jetzt geht es weiter. Er musste einen Umweg machen.“
    „Aber jetzt sitzt er wieder fest. Sieht er müde aus?“, sagte Slinkssons.
    „Vielleicht schließen sie mit Sam einfach eine Wette ab, mein lieber Figaro, und halten zur Abwechslung mal den Mund.“
    Von Steins Hand tastete sich suchend vorwärts, fand aber keinen Halt.
    „Die Felsen sind nass

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