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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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und schlüpfrig!“
    „O mein Gott, er rutscht ab.“
    „Nein, er fängt sich wieder.“
    „Er kann nicht mehr weiter.“
    „Aber er ist doch schon fast oben. Das darf nicht sein! Er muss weitermachen!“
    „Was überlegt er denn da so lange? Ruht er sich aus?“
    „Nein, er peilt die vorstehende Spitze an. Sehen sie dort, da.“
    „Die ist doch viel zu weit weg.“
    „Er spreizt die Beine. Nein, er schafft es nicht. Er muss springen.“
    „Er will doch nicht wirklich springen. O nein, das schafft er nie. Wenn er abstürzt, ist das Seil viel zu lang, um ihn aus dem Strudel zu ziehen. So schnell können wir es gar nicht einholen.“
    „Er springt!“
    Laima konnte nicht hinsehen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und wartete auf den Aufschlag auf dem Wasser.
    „Ja!“
    „Nein!“
    „Er wackelt!“
    „Halt dich fest!“
    „Ja, er hat es geschafft.“
    „Puh.“
    Laima sah nach oben. Gerold von Stein winkte glücklich zu ihnen herunter und stand sicher auf einem kleinen Felsen, gerade groß genug seine zwei Fußspitzen darauf abzustellen.
    „Mir ist schlecht vor Aufregung“, sagte Schüssli. „Wenn ich da oben wäre, hätte ich bestimmt schon gekotzt.“
    „Bitte nicht.“
     
    „Jetzt hat er gleich die Felskante erreicht.“
    „Noch ein bisschen, dann hat er es geschafft.“
    Laima sah, wie von Stein sich mit einem letzten Schub über die Kante des Canyons stieß und verschwand.
    „Er hat es. Er hat es.“
    „Hurra!“
    „Nicht so wackeln, Leute, sonst haben wir nichts mehr davon. Ruhig Blut.“
    „Hoffen wir, dass das Seil lang genug ist.“
    „Das Seil ist lang genug, wenn er nicht noch einen halben Kilometer laufen muss, um etwas zu findet, wo er es festbinden kann.“
    Kurz darauf sahen sie wieder von Steins Gesicht. Er hielt den Daumen hoch, zum Zeichen, dass alles in Ordnung war.
    „Erst die Mannschaft, dann der Kapitän“, sagte Sam.
    „Dann das Material, Kapitän sehe ich nämlich keinen“, sagte Slinkssons.
    Sie befestigten einen Sitzgurt am Seil.
    „Hier, das ist eine Steigklemme. Wer kennt sich damit aus?“, fragte Slinkssons. „Wer will zuerst? Dann werde ich als Erster gehen. Das Seil mache ich hier am einzigen Haken im Fels fest. Dann gehts los! Bis gleich dann, oben!“
    Einer nach dem anderen zogen sie sich mit der Steigklemme aufwärts.
    „Ich bleibe unten und binde das Gepäck an“, sagte Schüssli zu Laima, als nur noch sie beide übrig waren.
    Nebel war aufgezogen, sodass man kaum noch bis zum oberen Rand der Schlucht sehen konnte. Laima kostete es alle Geschicklichkeit und Mühe, an dem sich ständig drehenden und wackelnden Seil nach oben zu kommen. Sie legte mehrere Pausen ein. Die Anderen riefen ihr bereits durch den Nebel zu.
    Ihre Gesichter tauchten schließlich vor ihr auf und die starken Hände von Slinkssons und Sam zogen sie über den Rand.
    „Unsre ganzen Sachen sind noch da unten. Und Schüssli“, sagte Gerold von Stein besorgt.
    „Haben wir irgendwie einen Logistikfehler gemacht?“, sagte Slinkssons.
    „Der wichtigste Teil ist zumindest sicher“, sagte Sam.
    „Ist Roger vielleicht weniger wichtig?“, sagte von Stein.
    „Ich meinte es ausnahmsweise nicht so“, sagte Sam. „Ich dachte, die meisten von uns sind oben. Das Gepäck ist ja nicht so wichtig.“
    „Ich habe das dumpfe Gefühl, dass er nicht von alleine hochkommen wird“, sagte von Stein.
    „Ich könnte ihn ja holen und dann nochmal runter für die Sachen“, sagte Sam. „Kraft habe ich noch. Und der Einzige, der sich Schüssli auf den Rücken binden kann, bin ich auch.“
    „Schüssli“, schrie von Stein durch den dichten Nebel, der mittlerweile die Sicht völlig verdeckte.
    Alle lauschten in die Stille. Selbst das Rauschen des Flusses wurde vom nassen Schleier der Luft geschluckt.
    „Da! Was sagt er?“
    „Wenn er uns hört, wird er uns schon verstehen.“
    „Wir schicken jetzt Sam runter“, rief von Stein so laut er konnte. „Er holt dich dann rauf!“
    Die ganze Anstrengung hatte ihm alles abverlangt. Seine Hände waren nur noch rohes Fleisch. Er band sich Stofffetzen seines Hemdes darum. Während Sam langsam hinabstieg.
     
    Roger Schüssli stand im Schlauchboot unten am Seil und hielt sich fest. Er hatte tatsächlich die Worte gehört, die von Stein ihm zugerufen hatte. Und auch verstanden.
    Ihm war aus dem Nichts eine furchtbare Erkenntnis gekommen. Er war sich dessen so sicher, dass sein ganzer Körper vor Angst zitterte. Es war nicht die Vorstellung den Canyon

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