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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Gehäuse gebunden, so daß der kleine Hammer auf sie
eindrosch, wenn am Morgen der Alarm losging.
    Ich wache immer vor dem Weckerläuten auf, deshalb konnte ich
es beobachten.

 
2
DER SCHLANGENPARK
     
     
    Ich nahm das Häuflein Asche, die Überbleibsel der Wespe,
und füllte es in eine Streichholzschachtel, eingewickelt in ein
altes Foto, das Eric zusammen mit meinem Vater zeigte. Auf dem Bild
hielt mein Vater eine Porträtfotografie seiner ersten Frau,
Erics Mutter, in der Hand; sie war die einzige, die lächelte.
Mein Vater starrte mit finsterer Miene in die Kamera. Der kleine Eric
blickte in eine andere Richtung und bohrte mit gelangweiltem Gesicht
in der Nase.
    Der Morgen war frisch und kühl. Ich sah Dunst über dem
Wald am Fuße der Berge und Nebel draußen über der
Nordsee. Ich rannte mit kräftigen, schnellen Schritten über
den nassen Sand, wo er glatt und fest war; dabei erzeugte ich mit dem
Mund das Geräusch eines Düsentriebwerks und drückte
mein Fernglas und meinen Umhängebeutel fest zu beiden Seiten an
mich. Als ich auf gleicher Höhe mit dem Bunker war, schwenkte
ich landeinwärts ab; ich wurde langsamer, als ich auf den
weichen weißen Sand des oberen Strandstreifens traf. Ich
untersuchte im Streifflug sowohl Treibgut als auch Strandgut, doch
ich entdeckte nichts Bemerkenswertes, nichts, das des Bergens wert
gewesen wäre, lediglich eine alte Qualle, eine purpurfarbene
Masse mit vier blassen Ringen im Innern. Ich nahm eine
geringfügige Kursänderung vor, um sie zu überfliegen,
machte »Trrrrfffao! Trrrrrrrrrrrffrao!« dazu und
holte im Laufen zu einem kräftigen Tritt aus, woraufhin eine
schmutzige Fontäne aus Sand und Quallenmasse um mich herum
aufstob. »Pchrrt!« war das Geräusch der
Explosion. Ich schwenkte wieder in die vorherige Richtung ein und
strebte dem Bunker zu.
    Die Pfähle waren in gutem Zustand. Ich brauchte den Beutel
mit den Köpfen und Körpern nicht. Ich suchte sie alle auf,
arbeitete den ganzen Morgen hindurch, pflanzte die tote Wespe in
ihrem Papiersarg nicht zwischen zwei der wichtigeren Pfähle ein,
wie ich es ursprünglich vorgehabt hatte, sondern unter dem Weg,
direkt am inselwärtigen Ende der Brücke. Da ich schon mal
da war, kletterte ich an den Tragetauen hinauf zu der Stütze an
der Festlandseite und sah mich um. Ich konnte bis zum Giebel des
Hauses blicken und erkannte die Skyline des Dachbodens.
Außerdem sah ich die Spitze der Church of Scotland in Porteneil
und den Rauch, der aus einigen Kaminen in der Stadt aufstieg. Ich
nahm das kleine Messer aus meiner linken Brusttasche und ritzte
behutsam meinen linken Daumen an. Ich schmierte das rote Zeug
über die Oberseite der Hauptquerstrebe, die einen der
T-Träger der Stütze mit dem anderen verband, dann wischte
ich meine kleine Wunde mit einem antiseptischen Tüchlein ab, das
ich in einer meiner Taschen gehabt hatte. Danach kletterte ich wieder
hinunter und las die Kugellagerkugel auf, mit der ich am Tag zuvor
das Schild beschossen hatte.
    Die erste Mrs. Cauldhame, Mary, Erics Mutter, starb zu Hause bei
der Geburt ihres Kindes. Erics Kopf war zu groß für sie
gewesen; sie erlitt einen Blutsturz und verblutete im Kindbett; das
war im Jahr 1960. Eric litt sein ganzes Leben lang an ziemlich
schlimmer Migräne, und ich neige sehr dazu, diese
Unpäßlichkeit auf die Art seines Eintritts in diese Welt
zurückzuführen. All das, seine Migräne und der Tod
seiner Mutter, hatte, so glaube ich, viel damit zu tun,
was-mit-Eric-passiert-ist. Arme unglückliche Seele; er befand
sich einfach zur falschen Zeit am falschen Ort, und etwas sehr
Unwahrscheinliches trat ein und bewirkte durch puren Zufall bei ihm
mehr, als es bei irgend jemandem sonst, dem es hätte widerfahren
können, bewirkt hätte. Aber dieses Risiko geht man nun mal
ein, wenn man von hier weggeht.
    Wenn man es genau bedenkt, bedeutet das, daß Eric ebenfalls
jemanden umgebracht hat. Ich hatte gedacht, ich sei der einzige
Mörder in der Familie, aber der gute, alte Eric hat mich dabei
übertrumpft, indem er seine Mami tötete, bevor er
überhaupt einen Atemzug getan hatte. Unabsichtlich,
zugegebenermaßen, aber nicht immer ist der Vorsatz der
entscheidende Faktor.
    Die Fabrik ließ etwas von Feuer verlauten.
    Ich grübelte, was das zu bedeuten haben mochte. Die
naheliegende Erklärung war, daß Eric irgendwelche Hunde in
Brand stecken würde, doch war ich mit den Eigenarten der Fabrik
zu sehr vertraut, um das als endgültig anzunehmen; ich hatte

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